Hollquick – Kapitel 8

Hollquick – Kapitel 8

„Wo sind die Zauberstäbe?“, fragt Ruber und ich weiß nicht, welche er meint, aber er spricht auch nicht mit mir, sondern mit Karol.

„Was geht mich das an“, versucht Karol, diesmal in fast nicht so schlechtem Deutsch.

„Naja, wir brauchen sie für du-weißt-schon.“

Karol grummelt tiefstes Heavy Metal, dann sagt er: „Otto.“

„Otto. Achso. Der ja. Hmm.“

Woher ich das weiß? Ich liege im Fahrstuhl, direkt über den beiden. Was die beiden im Fahrstuhl bereden, ist eigentlich eine Sache für das Büro, aber offenkundig will der Cyber-Mensch seine Ruhe haben. Ich bin versucht, die Klappe zu öffnen und sowas zu rufen wie: „Stinkstiefel? Der ist tot!“ und dann im Kugelhagel zu sterben.

„Hey Boss“, meint einer der anderen Orks, der fast so gutes Deutsch spricht wie ich: „Die Wache ist da.“

„Was zur Hölle“, brummt Ruber und stampft davon. Karol folgt ihm. Ich warte ein bisschen und dann traue ich mich und lasse mich in den Fahrstuhl fallen. Meinen Aufschlag hört niemand. Nur ein paar Gäste sehen mich, aber erkennen mich nicht. Ich sehe meine zukünftige Ex-Freundin, die sich umblickt, als wäre sie aus einem langen Traum erwacht. Sie ist noch immer schöner als Schneewittchen. Die hatte mal PR gemacht, war dann aber verschwunden, weil ihre Mutter sie abgeholt hat, eine üble Frau mit einer dicken Nase.

„Wir brauchen Betten und Decken und so weiter“, mault sie einen Ork an, der sich verzweifelt am Ohr kratzt und ein Dutzend Kakerlaken verlassen panisch ihre Altbauwohnung.

Offenkundig ist sie diesmal nicht so traurig wie sonst, und offenkundig weiß sie nicht, dass Uto tot ist. „Weil hier Schwangere sind und Leute, die Drogen brauchen und so weiter. Bringt das her. Oder lasst uns in unsere Büros. Hier ist es viel zu nervig. Glauben Sie nicht, dass wir lieber daheim sind, allein, im Dunkeln? Nein, wir sind hier und das ist zu viel.“

Leichtes Klatschen der Gäste.

Ruber kommt vorbeimarschiert und wirkt leicht aufgebracht.

„Frau …?“

„Griseldis. Griseldis … Maklen.“

„Frau Maklen.“

„Also?“

Sie beginnt zu schluchzen und haut Ruber die Faust ins Gesicht. Er reagiert nicht und ich bemerke, dass er gar nicht da ist, sondern nur eine magische Projektion benutzt, das neuste aus Japanistan.

„Helfen Sie uns, Frau Maklen. Wir helfen Ihnen.“

„Ja?“

„Da ist einer Ihrer Angestellten und er nervt. Wo ist er und wer ist er?“

Sie blickt sich um. Zuckt mit den Schultern. „Ich weiß nicht, wen Sie meinen.“

„Diese Person macht uns Ärger.“

„Nein, da fällt mir niemand ein. Ich bedauere. Hier macht niemand Ärger.“

„Schade“, murmelt Ruber hörbar laut. „Naja, dann, vielen Dank und bis später.“

Er löst sich auf.

Ich rolle mich aus dem Fahrstuhl, klemme mich an eine Wand und schiebe mich zum nächsten Fenster hinüber. Draußen ist die Hölle los. Ein Dutzend Wachwagen stehen da, die Wachen essen Apfelkringel und starren auf die Festung. Irgendwo sehe ich auch den Golem, der gerade mit seinem Chef diskutiert, einem dünnen Golem.

Es knirscht. Zwei Orks zerren ein Sofa durch die Gegend, stolpern über meine Füße, sind aber zu abgelenkt, um mich zu sehen. Offenkundig haben sie Augenprobleme.

„Das ist keine gute Taktik. Dort im Gebäude ist ein Angestellter oder Tourist oder so und er hat mich informiert, dass das Gebäude angegriffen wurde.“

Ach, habe ich das? Naja, vielleicht schon. Ich meine, wie sonst soll man meine wilde Schießerei auslegen?

Offenkundig bin ich auf mein Smart-Visionum gefallen, alt, aus dem Land der linken Mitte und es hat sich eingeschaltet. Und es ist Weihnachten, also geschehen Wunder.

„Sorry“, meine ich.

„Wer spricht da?“

„Ich bin … äh. Ray. Und ich bin im Gebäude.“

„Ray. Haben Sie mir den Ork auf das Auto geworfen?“

„Äh, vielleicht?“

„Ist nicht mein Auto. Was ist da los?“

Ich versuche, ihm alles zu erklären, aber ich habe gewisse Schwierigkeiten, mich da rauszuhalten.

„Ray, wir brauchen Ihre Hilfe.“

„Nein, brauchen wir nicht“, wirft jemand anders ein, ich vermute, es ist sein dünner Chef. „Wir haben die SoßenWizardAttackTruppe angeheuert. Die kommen gleich an.“

Und da sind sie auch schon und ich starre aus dem Fenster in den unteren Bereich der Festung und erkenne, dass sich ein halbes Dutzend Orks im Foyer aufhalten und auch Bolokarz hat eine Waffe und seine Augen leuchten weiterhin rot genug, um zu zeigen, dass er eigentlich tot ist.

„Tun Sie das nicht“, rufe ich, doch dann ist es schon zu spät.

Irgendwas mit „Es war die Nacht vor Weihnachten“ rollt über den Firmenlautsprecher und „4 Mal 4 Formation“, was mich an Käse und Mathematik erinnert und innerhalb von Augenblicken werden die Angreifer der SWAT zurückgeworfen und halten sich ihre blutenden Kniescheiben.

Das Geschrei ist furchtbar und ich halte mir die Augen zu. Das hilft nur nicht bei Geschrei, ich weiß, ich weiß.

Dann, nur Augenblicke später, kommt ein Wagen angefahren, Schildkrötenpanzer und Holzplatten bedecken diesen Angriffswagen für Waffennarren. Dass es Zombies schieben müssen, ist auch ein Nachteil im Design, aber wer kennt schon Motoren?

Der Wagen kommt an, beschleunigt, versucht, den Burggraben zu überwinden, was außerhalb des Eingangsbereichs eh dumm ist und bleibt stecken.

Eine wilde orksche Rakete wird in der Etage unter mir abgefeuert und hämmert ein blau kreischendes Loch in den Wagen. Ein zweiter Schuss folgt.

Ich höre mich fluchen. Dann habe ich eine Idee.

Ich renne zum Fahrstuhl und öffne die Bodenklappe. Als ich ins Dunkel starre, höre ich die Orks weiter unten lachen und laute Heavy Metal Lieder singen. Ich ziehe einen Stuhl heran, prüfe, ob er auch leer ist und dann lege ich den Kaugummi und eine Kabummstange drauf und schiebe sie in den Abgrund.

Augenblicke später schießt eine bunte Explosion nach oben, in meine Richtung.

„Mist“, murmele ich, schließe die Klappe und weiche zurück.

Es pufft leicht. Die Klappe hebt sich für ein paar Zentimeter und schließt sich wieder.

Dafür geht die untere Etage in Flammen auf. Das Gebäude bebt, Fenster werden abgesprengt, einige Orks fliegen in die Winternacht hinaus. Schönschön.

„Öh, Ray?“, fragt mich die Stimme des Golems.

„Jepp.“

„Warst du das?“

„Unter Umständen. Aber verrate es keinem.“

„Herr Ray. Sie haben gerade einen Schaden von mindestens 50 Trilliarden Goldstücken erzeugt.“

„Scheiß Inflation.“

„Ja. Jetzt muss ich Sie bitten, sich töten zu lassen. Das Federale Büro für Irgendwas kommt gleich. Und da sind sie schon.“

Ich würde gerne weiterquatschen, aber ich höre, das ein Ork heranstampft. Es ist Karol. Er sieht mich nicht. Er diskutiert mit Ruber.

„Mein Bruder hatte mein ‚Ich habe nun kein Maschinengewehr mehr, oh, oh, oh!‘-T-Shirt! Wo ist er? Was … tot? Liegt auf einem Wagen der Wache? Welche Wache?“ Er bleibt stehen, starrt aus dem Fenster. „Ja, da sind Leute. Ach, DAS ist die Wache.“ Er lacht in leisem Heavy Metal. Dann wird er offenkundig zornig, denn er schlägt auf das Glas ein, das unter seinen Pranken leise wiehernd zerbricht. Er hat zwei Maschinengewehre dabei und hämmert ein paar Dutzend Schüsse in die Nacht hinaus. Wagenscheiben zerbröseln, Apfelkrapfen lösen sich in Rauch auf. Wütende Schreie rollen von unten heran und feuern zurück, treffen aber nicht. Also die Leute der Wache treffen nicht. Vermutlich wollen sie gar nicht treffen.

„Karol?“, höre ich Ruber. „Du kannst dann gerne weiterfeuern oder den Killer deines Bruders jagen, aber jetzt nicht. Ich habe jemanden am Telefon. Und du störst mit deinem Geballer die Diskussion.“

Karol gehorcht seinem Herren und Meister und tritt zurück. Sein Gesicht brennt unter dem gelben Stroh auf seinem Kopf, er zieht es ab, kratzt sich den Schädel und steckt es sich wieder aufs Fleisch. Also das Stroh, nicht das Gesicht.

„Ja, ja“, höre ich Ruber fluchen. „Wir sind eine Terroristenorganisation und jaja, wir wollen, dass ihr sieben Mitglieder von Schwarzlotus, 27 Mitglieder von Stiel im Eis und 5 Mitglieder von Magie-ist-eine-Seuche freilasst. Dann lassen wir sicher auch die Angestellten frei. Uto? Uto … ach der. Nun, der wird uns für den Rest seines Lebens nicht mehr besuchen. Verstehen Sie? Er ist … achso, Sie haben verstanden. Na dann. Ich warte.“

Offenkundig glaubt die Wache ihm. Aber ich weiß, dass er Geld will. Weil er ungewöhnlich und ein Dieb ist. Oder war das außergewöhnlich?

Ich muss mir überlegen, wie ich hier rauskomme. Vielleicht auf dem Dach. Ja, dort soll es einen Flugdrachen geben, angeschnallt und so weiter. Und dann fliege ich davon. Aber ohne Griseldis. Mein Herz wird schwer, aber was soll ich tun? Sie retten? Draufgehen, indem ich sie rette? Dafür bin ich noch nicht Held genug.

Ich schlurfe zum Fahrstuhl, dort ist keiner. Ein winziges Visinorum am oberen Rand der Wand blinkt. Ich übersehe es beflissentlich, öffne die Luke und starre nach oben. Es müssen wenigstens 5 Stockwerke sein, aber da passt kein Ork durch. Also klettere ich nach oben, schließe die Klappe. Starre in die Finsternis. Eine Leiter wird sichtbar, schwarz und ölig. Ich zerre mich daran hoch. Stufe um Stufe überwinde ich die Schwerkraft, als wäre ich 50 kg leichter. Vielleicht bin ich ja ein toter kleiner Ork und kein Elf.

Ich öffne eine weitere Klappe und starre hinaus in die endlose Nacht. Sterne blitzen. Der Mond singt ein leises Lied. Der Weihnachtsmann zieht seine Runden, seine blutroten Rentiere zerfetzen gerade einen Drachen. Dampf steigt auf. Es ist Weihnacht. Vermutlich ist es schon nach Mitternacht., also mache ich gerade Überstunden. Irgendwas blinkt hier. Ich schau mich um und sehe Packungen von C4 mit magischen Lichtern an der Unterseite der Plattform. Als ich mich hochhangele und über die Brüstung schaue, merke ich, dass der Drachen nicht da ist, nur ein Schild mit Sternen und einem Weihnachtsbaum mit dem Spruch: „Ich schulde euch einen Drachen. LOL.“ Das war bestimmt Lyke Schreiwalka, ein Kollege … also einer anderen Abteilung. Die macht mehr Geld, darf mehr. Ich glaube, Lyke ist gar nicht auf der Weihnachtsfeier. Als ob er woanders besseren Feenstaub bekommt. Oder war das Engelsstaub? Ich denke nicht drüber nach, begebe mich wieder nach unten und beginne, die Lichter aus dem Kaugummi zu reißen. Ist ja gefährlich. Ein Funken und …

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