Hollquick – Kapitel 6

Hollquick – Kapitel 6

„Hallochen“ jault die Stimme und ich bin mir nicht sicher, ob ich gemeint bin, denn ich erhalte solche Begrüßungen eher selten. Dann aber wird mir klar, dass Otto, oder Oskar oder wer auch immer, angekommen ist.

Ich grüße reflexartig zurück.

Die Stimme wird nochmal lauter und mehr Heavy Metal. „Komm her. Sonst töte ich dich.“

Offenkundig kann er mich nicht sehen. Die Blitze im Hintergrund, die vom Dach hinunter nach L.A. sausen, blenden ihn offenkundig, so wie mich. Ich lasse mich ins Dunkel fallen, knalle gegen eine Steinwand, die leise Lieder singt, Lieder von Wäldern, Lieder von Waldelfen. Reine Pornografie. Ich kenne diese Hippies.

Ein paar Balken krachen, als der Ork eine Salve abfeuert, nachtschwarze Linien reißen Löcher in das magische Glas. Puzzleteile bilden sich, zeigen noch mehr absurde Praktiken, offenkundig speichert das Gebäude gerne Utos Freizeitbeschäftigungen.

„Ich habe ein Gewehr!“, brüllt der Ork. „Komm raus, dann zeige ich es dir mal!“

„Auf keinen Fall“, rufe ich zurück, schweigend. Er schießt, wieder. Ich taumele, ramme einen Balken, der gleichzeitig die Mechanica-Konstruktion aktiviert.

Er reagiert falsch. Rennt in meine Richtung. Stolpert. Fällt. Sein Kopf rammt mein Knie.

Nun, ich muss hier etwas einbringen. Es gibt Gründe, wieso ich ein fetter Elf bin. Die meisten Elfen sind schmal, schlank, groß. Ich bin fett und groß und das liegt daran, dass ich einmal einen Unfall hatte. Als junger Elf mit knapp 93 Jahren. Seitdem habe ich eine Kniescheibe aus Mitroment. Eine Mischung aus Mitrill und Kalk, verbunden mit magischem Wasser. Es dauert, bis der Körper eines magischen Wesens solche Strapazen überlebt, gerade weil Mitrill anti-magisch ist. Zwerge halt. Die hassen einfach Magie. Ich werde nicht philosophisch. Mitrill in magischen Wesen ändert sie, macht sie schwächer in dieser Hinsicht.

Aber nicht, wenn ein Ork seine Fresse auf mein Knie hämmert.

Dann gewinnt das Knie.

Der Ork grunzt wilde Heavy-Metal-Flüche. Schwarzer Schleim kricht aus seiner Schnauze, seine Zähne zittern. Er versucht, sich aufzurichten. Seine fetten Hände versuchen, seine Waffe zu finden, aber die liegt hinter mir. Ich will sie mir greifen, da packt er meine Füße, bohrt seine Klauen durch den dünnen Stoff der vergessenen Marke C0NV3RT, die ich mal teuer gekauft habe, weil ich „kewl“ sein wollte. Ich falle nach hinten, die Schuhe zerreißen sich fast von selbst. Meine Hände packen die Waffe, heben sie an, ein fast schon filigranes Produkt der Firma Hell-Mayer-und-Schneider (HMUS(TM)). Ich drücke ab. Der Rückstoß reißt sie mir wieder aus den Händen. Und ihn ein paar Meter zurück. Offenkundig habe ich getroffen, aber einen Ork zu treffen ist dasselbe wie Eierkuchen in einen Vulkan zu werfen.

Er brüllt in tiefstem Heavy-Metal einen Fluch, der sich lustig anhört, weil er falsch übersetzt wurde. Blut und Schleim kriechen über seinen Anzug, der garantiert nicht in Londonium gekauft wurde, sondern in einem Standardwarenhaus für Ork-Größen. Er taumelt vorwärts, schon wieder. Ich finde den Gurt der Waffe und schlage zu. Die HMUS 3B (Ballern, Beten, Buletten) explodiert in seinem Gesicht, verwandelt es in Sahnejoghurt mit Fruchteinlage. Er … taumelt … zurück, kracht gegen die Tür ins Treppenhaus, die leider offen ist, was ihn nicht davon abhält, sich gerade noch so am Türrahmen festzuhalten. Ich weiß nicht, was ich wirklich tue, als renne ich auf ihn zu und ramme ihm mein Knie gegen das seine.

Nicht alle Spezies haben ihre Kniescheiben dort, wo sie sich fortpflanzen.

Er lässt los, packt mich aber an sich heran und wir beide rollen die Treppe hinunter. Schläge auf den Hinterkopf erhöhen bei mir nicht das Denkvermögen, das merke ich, als wir ein Dutzend Stufen in die Tiefe gerollt sind. Mein Schädel dröhnt, aber das ist ein gutes Zeichen.

Im Gegensatz zu mir hat der Ork keine Probleme. Keine Probleme mehr. Seine Augen starren in die Höhe, als würden sie auf Befehle warten, die nie ankommen.

„Otto?“, quäkt eine Stimme. „Otto, hast du ihn?“

Ich antworte nicht. Ich suche stattdessen nach einem schwarzen Stein, über den eckige Muster wandern. Ich finde den Stein. Der Stein spricht. „Otto?“

Als ich mich aufrichte, merke ich, dass mir ein paar Fasern meiner kaputten Schuhe zwischen den Fußzehen kleben. Schuhe. Genau.

Ich brauche Schuhe.

Ich blicke mich um, sehe Ottos Stiefel. Ich zerre sie von seinen Füßen. Eine Mischung aus Krötenschleim, Streukäse und allgemein schlechter Hygiene spritzt mir entgegen, dankbar, den Füßen des Toten entkommen zu sein. Ich würde die Stiefel sogar anziehen, aber sie lösen sich auf.

„Von all den Orks in diesem Teil der Welt“, fluche ich, „finde ich genau den, der schlechtere Füße hat als der Käse-Goblin aus der Fernsehwerbung.“ (Ein guter Bekannter übrigens.)

Ich durchsuche den Ork weiter, finde einige Kristallmagazine für die HMUS und ein paar Wunderkerzen der Marke „Kabum“, die eigentlich verboten sind. Naja, kann ich trotzdem mitnehmen. Und ein Kilogramm Kaugummi der Sorte C4.

„Otto?“, fragt die Stimme.

Noch immer keine Antwort von mir. Ha. Das ist auch kein Problem.

„Egal. Warten wir nicht auf ihn.“

Etwas blitzt auf, ein Bild. Das magische Glas im Hintergrund leuchtet. Offenkundig hat der „Hacker“ etwas falsch gemacht, denn das, was ich sehe, sollte ich nicht sehen. Oder es war Absicht. Nein, Hanlon sagte einst: „Dümmer geht immer. Boshaftigkeit muss erarbeitet werden.“

Ich kann erkennen, dass die Angreifer sich in Utos Büro befinden.

„Ui“, meint Rans, dessen Ziegenbart leise meckert. „Sie haben Modelle. Ich auch.“

„Ja, das ist unser Projekt in Klein-Argentinien. Eine Eiskremfabrik.“

„Die meinte ich nicht. Ich meinte diese Modelle.“

„Äh“, antwortet Uto. „Ja, ich sammle Poster bekannter Elfinnen und …“

„Aber nein doch“, flucht Ruber. „Ich meinte DIESE MODELLE!“ Er lächelt, seine Zähne sind so hell, dass sie einen Drachen vom Himmel holen könnten.

„Asö. Naja.“

„Naja? Das ist eine volle Einheit von Kriegsgewitter 28k, ich vermute Arcanus Militantis? Wieviele Punkte?“

„Punkte? Naja, vielleicht 300.“

„DREIHUNDERT“, eskaliert Ruber, die Augen aufgerissen wie ein Eierkuchen, der in einem Vulkan landet. „Das war sicher sehr sehr teuer.“

„Hat zwei Nieren gekostet. Also nicht die meinigen“, Uto lacht leise, wird dann ernst. „Sie sind aber nicht hier, um über meine Modelle zu reden.“

„Äh, ja genau“, räuspert sich Ruber. „Also ich hätte gerne den magischen Schlüssel für das Gewölbe.“

„Wieso das denn? Ich denke, Sie sind Befreiungskämpfer. Ich meine, ich überweise doch jedes Jahr zu Weihnachten 50 Silbermünzen an die Heime für verlorene Orks.“

Ruber grinst. Seine Zähne ziehen ihre Augen zusammen. „Naja, ich brauche den Schlüssel, um in den Genuss der 642 Zillionen Kupfereinheiten zu kommen, die in Visionum-Aktien, Briefmarkensammlungen und dem Einhorn-Stick mit den Benutzerdaten Ihrer Kunden in Ihrem Gewölbe angelegt sind.“

„Sie sind ja nur ein gewöhnlicher Dieb.“

Ruber grinst noch mehr. Seine Zähne versuchen, sich gegenseitig mit Sonnenkreme einzuschmieren.

„Ich bin ein gewöhnlicher Mörder, aber ein ungewöhnlicher Ork.“

„Sie sind ein Mensch.“

„Sagen Sie das keinem, sonst muss ich sie umbringen. Wo ist der Schlüssel?“

„Der ist nicht hier. Der ist in einer Höhle und dort …“

„Den Schlüssel.“

„Den habe ich nicht.“

„Den Schlüssel, sonst muss ich Sie umbringen. Oder Ihre Freundin.“

„Mensch, lassen Sie doch die Sch…“

Es knallt. Utos Kopf rollt von seiner Schulter. Seine Schultern zucken.

„Karol, das hätte nicht sein sollen.“

Lauter Heavy-Metal folgt.

„Das mit dem „sonst mus ich Sie umbringen“ war ein Witz. Orks. Verdammt, jetzt brauchen wir Hilfe. Hol mal Orbpondie. Und bring niemanden um, außer ich sage es dir.“

Kommentare sind geschlossen.