Hollquick – Kapitel 11 – und Finale

Hollquick – Kapitel 11 – und Finale

Noch immer erschüttern Explosionen das Gebäude. Offenkundig geht eine Ladung Visionums nach der anderen hoch, hinterlässt Regenbögen, die an der Seite der Festung heruntertropfen. Die Wache weiß offenkundig auch nicht mehr, was sie tun soll. Also singt sie Weihnachtlieder, offensichtlich, um zu zeigen, dass sie noch leben – und wer sie hören muss, der lebt auch noch.

Die Kollegen, die mich bisher ignoriert haben, würden dies auch weiter tun. Ich kann ihre Füße hören, die entweder das Treppenhaus kaputttrampeln – oder das Scharren teurer Turnschuhe vor den Fahrstühlen, unterbrochen von „Wann kommt der endlich?“ und „Ich geh noch nicht 10 Stockwerke. Ich habe in 2 Stunden Schichtbeginn!“, gefolgt von dutzenden Ausrufezeichen.

Wo ich bin? Unterwegs zum Vault, also zum Tresor. Wo der ist, weiß ich bisher auch nicht, aber ich kann die Macht des Geldes fühlen und die laute Musik von Beethoven, einem bekannten Künstler für Schlagermusik wird mit jedem Schritt lauter. Ich wandere durch den Swimming Pool, den die Feuerschutzanlage in den Partyraum hineingeregnet hat, vorbei am umgefallen Weihnachtsbaum. Einzelne Kollegen hängen in den Sesseln und betrachten mich, als wäre ich der Geist der zukünftigen Weihnacht. Einer von ihnen hebt seine Hand und zeigt mir seinen Bierkrug, doch der Geruch ist offenkundig härter. „Willste was?“

„Nein danke“, antwortet ich und schlurfe weiter.

Gänge um Gänge winden sich durch die Mauern der alten Festung. Einzelne Kerzen, die seit Jahrhunderten brennen, beleuchten die zitternden Spinnweben und die bleichen Knochen von Ex-Angestellten, die in winzigen Kammern hängen und noch immer versuchen, die Kapazitäten der Rufannahme auszurechnen. Fingernägel kratzen über Abaken, Augen aus Nichts werden gehoben, während ich vorbeiwandere, das Grauen in meinem Nacken. Und eine Fledermaus.

„Sie sind nur ein Dieb“, höre ich Griseldis. Sie ist aufgebracht. Immerhin schluchzt sie nicht. Das macht mich froh. Ich habe keine Taschentücher dabei.

Ein paar Dutzend Weihnachtsgeschenke ligen halbverpackt in einem Rollwagen und als ich daran vorbeischaue, sah ich sie.

Griseldis. Ihr schwarzes Haar schwebt noch immer in Zeitlupe durch die flackernde Hintergrundbeleuchtung. Ihr Gesicht ist bleicher als sonst. Am Boden sitzt Rans Ruber und zischt sowas wie „Ich bin kein Dieb. Ich bin etwas ganz Spezielles und lass dir mal das Gebiss richten, Doris.“

Verwirrte Blicke folgen.

„Jaja“, murmelt Ruber laut, sehr laut, aber es war noch immer ein Murmeln. Hinter ihm öffnet sich eine metallene Tür mit dutzenden magischen Zeichen besetzt.

Die Musik wird lauter. Irgendwas mit „Ode an die Freude“ oder „Opus an die Meute“. Ich kenne mich nicht aus.

Klopapier der Marke Covid1999 schwebt heran, bedeckt den Fußboden, während die beiden Orks, offenkundig zwei Überlebende meiner kleinen Missetaten, nebst Ruber beginnen, Aktienpapiere, Gummidrops, Liebesperlen und Karamell-Derivate in große Taschen zu stopfen.

„Hol den Wagen, Cyber-Typ“, ruft Ruber in seinen Fernsprechstein. „Wir kommen!“

Irgendwo im Hintergrund kracht es. „Sorry, Boss“, meldet sich Cyber-Typ. „Ich habe keinen Führerschein und was ist ein Wagen?“

„BIN ICH NUR VON IDIOTEN UMGEBEN?!?“, ruft Rallan Ickman, springt auf und zerrt Griseldis nach oben. „Wo ist der Ausgang?“

„Dort, wo der Eingang ist?“, fragt sie. Ihre Augen wirken traurig. Ihre Lippen beben. Der Schal auf ihren hellen Schultern bebt.

„Ja, genau. Also …“

„Jetzt mal Butter bei die Fische“, werfe ich ein. Weihnachtsklebeband juckt an meinem Rücken.

„Wenn das nicht Ray ist … oder soll ich Hollquick sagen.“

„Clint. Der Name ist Clint.“ Ich beginne, zu lachen. Ich kann nicht anders, als ob mich jemand zwingt. Die Orks und die beiden Menschen starren mich an, als ob ich irre geworden sei.

Offenkundig bin ich es. Die Orks lachen nun auch. Einfach so. Sie sind halt blöd.

„Du … du hast eine Waffe auf deiner Schulter geklebt“, ruft einer der Orks, packt den anderen beim Kopf und dreht ihn in meine Richtung.

Was falsch ist.

Ein Genick knackt. Ich lasse mich fallen und werfe die Fledermaus. Sie landet panisch im Gesicht des anderen Orks, der sich noch panischer selbst den Frontschädel vom Gesicht schießt. Oder das Gesicht vom Frontschädel. Es ist Blut zu sehen. Viel Blut.

Ich schieße. Also ich meine, die Waffe hängt mir auf der Schulter, also drücke ich mit einem Ohr gegen den Abzug, klingt lustig, ist auch so. Dutzende Einschläge werfen Rallan Ickman zurück, er packt Griseldis und zerrt sie mit sich. Hinter ihm öffnet sich das Fenster zum Innenhof. Er fällt.

Sie fällt. Aber nicht wirklich. Ich renne zu ihr hin und sehe, wie Rans Ruber eine Waffe zieht, während er an Griseldis’ Hand hängt. In Zeitlupe zieht er eine Waffe.

„Lass den Handschuh los“, rufe ich.

„Kennen wir uns? Den habe ich aus dem Löwengarten, das Schauspiel zu erwarten!“

Dann macht es „Zing“ und ihre Hand fehlt. Die hat Ruber in der seinen. Seine Augen aufgerissen, saust er in die Tiefe.

Knallt auf den Boden.

Zwei Stockwerke sind nicht lang. Ich höre ihn lachen.

Dann kracht das Dach auf seinen Körper. Und seine Füße rollen sich auf. Und irgendwo fliegt eine Hexe mit grünem Gesicht auf der Suche nach Schuhen durch die Gegend.

„Deine Hand“, meine ich.

„Die wächst nach. Aber der Handschuh war schon wichtig.“

„Gehen wir“, sage ich ihr und wir verlassen das Gebäude durch das Fenster.

Zwei Stockwerke sind nicht tief.

Ein Golem löst sich aus dem Gemenge aus Touristen, Wache und geflohenen Angstellten. Er ist sicher der kleinste Golem, den ich je gesehen habe.

„Ray?“, fragt er mich.

„Ja, Hollquick.“

„Gute Arbeit heute.“

„Ebenso, Stony“

Er mampft einen Apfelkringel. Mit einem Mal öffnet sich die Tür hinter mir und Karol stampft in die Freiheit. Er hebt seine Waffe.

Der Apfelkringel fliegt ihm ins Gesicht. Explodiert. Sendet Splitter körnigen Orks in Streifen über die noch nicht grünende Flur.

„Wars das?“, fragt Stony.

„Ich hoffe. Fröhliche Weihnachten“, teile ich ihm mit.

Griseldis ist bereits verschwunden, also setze ich mich auf den Boden und betrachte die Festung. Irgendwo hinter den Fenstern leuchten die zwei toten Augen des Hausmeisters. Bolokarz kann warten. Ich finde ein blutiges Stückchen Apfelkringel und beiße mir ein Stück ab. Noch zwei Stunden bis Feierabend. Fröhliche Weihnachten. Mal sehen, was nächstes Jahr passiert.

Sicherlich was mit einem Flughafen. Oder mit einer Riesenfledermaus. Oder mit einem jungen Elfen, der sich ein Rotreiterluftgewehr wünscht, das Leuten Augen ausschließt.

Naja, nochmal: Fröhliche Weihnachten. Und ein gesundes und erfolgreiches neues Jahr.

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