Gedanken in einem Gang voller untoter Schatten
Alle Gedanken flossen aus meinem Kopf in mein Rückenmark und versteckten sich dort. Die Geräusche, die durch meine Ohren rasten, wurden vom Rauschen des Blutes überrannt, wurden ausgelöscht von den zuckenden Schatten, die namenlose Wesen repräsentierten. Mein Herz pochte und das Pochen wurde zum Beben meiner Hände. Beide Handflächen schwitzten. Die hölzernen Griffe der beiden Pistolen wurden zu Sümpfen, doch ich hatte keine Chance, sie abzuwischen. Ich hatte nicht einmal die Chance, daran zu denken.
Sie waren schnell, aber ich war darauf vorbereitet. Nun ja, so gut man darauf vorbereitet sein kann. Der Gang war vielleicht 20 Meter lang und zwei Meter hoch und breit und ich hatte noch vielleicht 10 Schuss übrig. Kopfschüsse auf diese Entfernung sind schwierig und unmöglich, aber ich hatte dankbarerweise einige Erfahrung damit. Und ich hatte einige Kanister, die zwei Meter vor mir lagen, eine letzte Chance, wenn die Untoten zu nah herankamen.
Ich betete, aber die Hölle war leer und die Himmel gefroren. Niemand würde mich hören. Nicht die panischen Frauen und Kinder in den verriegelten Zimmern des endlos wirkenden Hauses, das seit Tagen die letzte Bastion der Überlebenden dieser Stadt war, die nun so namenlos enden würde wie ich. Mein Gewehr hatte ich bereits zur Seite geworfen, keine Munition mehr. Mein Magen verkrampfte sich, als meine Augen die toten Köpfe der Untoten sah, die im Schatten des flackernden Lichtes der Notstromanlage noch irgendwie lebendig wirkten. Doch sie waren wirklich tot. Ihre Schädel waren eingedrückt vom Aufprall der Projektile und die schwarze stinkende Flüssigkeit, die früher einmal ein Hirn gewesen war, glänzte wie getrockneter Brei.
Es war auch völlig egal, woher sie kamen. Die Schatten kamen immer wieder. Die Welt war ein Friedhof gewesen und nun würde der Friedhof zur Welt werden. Und am Ende würden wir alle irgendwie zu Nahrung oder Beute werden. Manch einer würde vom Regen sprechen, der durchsetzt von Erregern war, die die letzten Fetzen untoten Fleisches in grauenhafte Animationen versetzte, ihnen Willen und Instinkt gab, Fressen und noch mehr Fressen. Vielleicht waren es Außerirdische. Oder ein Experiment mit schwarzen Löchern. Oder. Oder. Oder.
Oder es war egal. Natürlich war es egal. Deshalb stand ich auch hier, statt mich in den hoffnungsvollen Gebeten der Gläubigen zu winden, einen Gott anzuflehen, der vermutlich selbst schon ein Untoter war, ein verständnisloses Wesen, welches von seiner eigenen Kreation vernichtet worden war, von einem toten Universum, in denen Reste von Vernunft und Logik existierten. Existiert hatten.
Ich fühlte die Kälte des Schicksals in meinem Nacken, das seine toten Finger durch mein Rückenmark gleiten ließ, meine Nerven zum Singen brachte. Mit genug Waffen und Soldaten hätten wir gewinnen können, aber für jeden Toten erschienen zehn weitere und dann zwanzig und dreißig. Und wer nicht von ihnen ermordet worden war, hatte sich selbst umgebracht. So wie ich mich selbst.
Vermutlich war dies die Strafe für mein Versagen. Mein endloses Fegefeuer. Meine ewige Hölle. Hier zu stehen, mein Herz zu spüren, wie es Angst hatte, das Rauschen meines Blutes zu hören, bis es mich ganz ausfüllte. Und die nassen Griffe der Pistolen zu spüren, mit denen ich, statt anderen zu helfen, mir selbst Erlösung versprochen hatte. Die Schatten kamen näher. Sie kamen immer näher. Würden sie mich je erreichen? Ich hoffte es, betete, doch hier existierte nichts, was auf Gebete reagierte. Hier existierten nur die Schatten und ich. Für immer.