Adventus Santa – 9 – Tanzende Kaninchen

Adventus Santa – 9 – Tanzende Kaninchen

Eigentlich war der Schrank ein Schrank. Klamotten und vergessene Spielzeuge lagen darin herum, als würden sie auf den letzten Tag der Menschheit warten. Doch etwas war anders. Ein kühler Hauch liess die Hemden zittern, etwas klingelte im Hintergrund.
»Das ist es?«, fragte Rob.
Santa nickte.
»Hier? Schon immer?«
»Natürlich. Hast du nicht diese Fantasy-Bücher gelesen über Narnia? Glaubst du, jemand hat sich das ausgedacht? Nein, mein Junge. Fantastische Bücher existieren, damit solche Plätze überleben. Und nun komm.«
Santa öffnete beide Schranktüren, murmelte etwas, griff in die Tiefe und war verschwunden.
Rob drehte sich um. »Ich weiß nicht …«
Ray schaute an ihm vorbei. Schweigend. Dann nickte er. »Komm. Je länger hier hierbleiben, desto größer ist die Chance …«
»Rob, bist du das?«
Cindy. Hatte sie nichts zu tun? Zu Schlafen? Es war nach Mitternacht – oder früher? Robs Verstand versuchte, eine Uhrzeit zu finden, die passen konnte, aber da war nichts. Vielleicht war es auch erst kurz nach 5?
»Cindy, geh schlafen!«
»Jetzt?«
»Ja!«
Ray seufzte, steckte seine Hand in den Kleiderschrank, packte etwas, wollte etwas zu Rob sagen und war schon verschwunden.
»Rob? Rob?«
Rob wollte antworten, wollte zur Tür gehen und seiner kleinen Schwester sagen, dass alles in Ordnung war, aber dann packte ihn eine Hand an der Schulter und riss ihn davon.
Die Spezialeffekte dieser Reise wirkten wie eine Mischung aus alten Trickfilmen und anderen Klischees. Schmelzende Uhren tropften rückwärts. Gesichter alter Menschen erschienen und zerbarsten in neue Gesichter. Weihnachtsmusik, gespielt von verfallenen Spieluhren, vermengten ihre Noten, bis sie am Ende nur noch Rauschen und Schreie bedeuteten. Es roch nach Weihnachtsgebäck und Schießpulver. In der Ferne kämpften Tod und Leben miteinander. Risse öffneten sich. Hakenbewehrte Finger griffen nach Opfern.
Dann war alles vorbei.
Blauer Himmel rollte über Rob hinweg. Das Gras unter seinem Rücken roch nach Frühling. Vögel zwitscherten in Bäumen.
Die Sonne verschwand. »Alles okay?«, fragte Ray und half seinem Freund auf.
»Ja, klar.« Rob blickte sich um. Eine endlose Straße reichte bis zum Horizont. Eine Handvoll Häuser hing über einem See auf der rechten Seite des Wegs.
Santa war schon davonmarschiert. Die beiden rannten los, erreichten ihn. Er stampfte weiter, als wäre jemand hinter ihm her.
»Hey, Santa«, keuchte Ray, »wo sind wir?«
»Im Land der Jahresfeste«, antwortete Santa, als wäre er von dieser Frage gelangweilt. »Da drüben ist St. Patricks-Day, man hört schon die Musik. Neben dem See liegt Thanksgiving und irgendwo hier sollten auch ein paar vergessene Feste lauern, die ihr Menschen vor Jahrtausenden gefeiert habt.«
»Trotzdem existieren sie noch«, meinte Rob, der versuchte, seinen Schritt Santa anzupassen.
»Ja, Ihr habt sie geboren und sie werden nicht sterben, bis die letzte Person vergessen hat, sie zu feiern. Aber dank eurer Wissenschaft und anderer Dinge feiern mehr Leute diese Feste als vor 100 Jahren. Die Welt wird wieder mysteriöser, mystischer – und das ist gut so.«
»Wo wohnst du?«, fragte Ray.
»Am Nordpol natürlich. Ich existiere schon so lang, dass ich einen eigenen Platz habe. Osterhase und Krampus, diese Wichser – die sind jünger als ich und …« Er stoppte. »Ich hätte nicht fluchen sollen. Aber Claudia ist in Gefahr und ich weiß nicht, welche grotesken Dinge sie mit ihr machen wollen.« Seine Fäuste knirschten. »Sie ist nicht wie ich. Sie ist ein Mensch, doch die Weihnachtsmagie hat sie nur sehr langsam altern lassen. Für euch mag ein Jahr vergehen, doch für sie vergeht nur eine Woche. Achtung! Hasen!«
Er riss die beiden zur Seite, tief ins Gebüsch. Staub wirbelte über der Straße auf. Ein einzelner Hase hüpfte ins Bild. Schnüffelte. Hinter ihm tauchten andere Hasen auf. Rob wollte schreien. Die Kreaturen tanzten. Rohes Fleisch tanzte auf der Straße zu einem Lied, das keine Melodie hatte, kein Erbarmen zeigte. Knochen krochen in alle Richtungen. Blut tropfte in den Staub. Mehr und mehr dieser Wesen erschienen, wirkten wie eine Kreuzfahrt in ein verbotenes Königreich.
»Sie sind auf dem Weg in eure Welt«, flüsterte Santa.
»Warum?«, fragte Rob und kratzte seine Nase.
»Ich weiss es nicht. Das sind keine normalen Osterhäschen. Das sind die Opfer des Krampus und seiner Armee.«

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