Adventus Santa – 8 – Santa

Adventus Santa – 8 – Santa

Etwas krachte hinter ihrem Rücken. Die Welt ging in Flammen auf. Das Kreischen hunderter winziger zahnbewerter Mäuler rollte durch die Nacht.
Ray konnte nicht sagen, wie sie überlebt hatten. Erinnerungsfetzen rissen Löcher in die Finsternis und verschwanden wieder. Das Einzige, das feststand war, der riesige Mann, der mit seinen Händen Bilder in die Dunkelheit zauberte, die Flammen aus anderen Dimensionen zu holen schienen.
Rob sah etwas anderes, nur seine Füße. Sein Körper wurde von der Panik vorangetrieben, von den Alptraumkreaturen gefressen zu werden. Fast schon konnte er das Keuchen der Rauchspinnen auf seinem Nacken fühlen, als sie die Tür öffneten, nein, sprengten und Santa seine beiden Helfer und dann sich selbst aus dem Gebäude schob, nebenbei noch die Köpfe der tödlichen Hasen zermalmte und andere Dinge tat, die viele Jahre Therapie bedeuten würden – wenn sie überlebten.

Jetzt stand das Gebäude in Flammen. Der Geruch von brennender Schokolade hing in der Luft, unterbrochen von Knacken der schwarzen Außenpanzer der Krampuskreaturen – warum auch immer dieser Dämon sie brauchte. War die Sage nicht jene gewesen, dass Krampus die unartigen Kinder stiehlt, in einen Sack packt und mitnimmt? Und was geschah dann mit ihnen? Rob wollte gar nicht darüber nachdenken, aber sein Verstand hatte sich vor dem Terror, der ihn umgab, selbstständig gemacht und versteckte sich in den Tiefen seiner pubertären Logik.
Ein Auto hupte. Bremsen zischten. Ein zorniger Mann blickte aus der Wagentür, zeigte ihnen den Mittelfinger.
Santa stoppte. Seine Hände packten die Motorhaube, pressten den Wagen in die Straße. Die Federung quietschte.
»Kann jemand fahren?«, fragte er in die Runde. »Ray?«
Ray nickte.
Robs Gesicht zuckte. »Ich dachte, du kannst …«
»Heimlich. Ich habs dir nicht gesagt …«
Augenblicke später stand der Mann am Straßenrand und starrte seinem Auto nach, das sich magischerweise in einen Schlitten mit einem halben Dutzend Rentiere verwandelt hatte. Kindheitserinnerungen summten durch seinen Geist. Er lächelte. Als die Klaue einer Krampusspinne durch seinen Nacken raste und ihn halb zerteilte, lächelte er noch immer.

»Wir müssen zu deinem Haus, Rob«, sagte Santa.
»Wegen des Spruchs …«
»Ja, wegen deines magischen Spruchs. Wir müssen zurück, aber nicht direkt. Vermutlich würden wir sofort von Krampus, Osterhase und ihren Horden vernichtet werden. Nein, wir müssen einen geheimen Pfad wandern. Es gibt einen magischen Hintereingang, der seit Jahrhunderten nicht benutzt wurde. Doch der führt uns durch verschiedene Welten, durch Gefahren und durch Abenteuer.«
»Abenteuer ist doch die Zeit, wenn man nicht weiß, ob man überlebt – und außerdem ist einem kalt«, meinte Rob.
»Wenn Krampus und Osterhase gewinnen, gibt es nie wieder Weihnachten. Stell dir vor, es ist Heilige Nacht und die Krampuskreaturen stampfen durch unter den Sternen entlang, vernichten alles, was ihnen im Weg ist. Und wieso nur Heilige Nacht, er könnte jede Nacht kommen – und jeden Tag zur Nacht machen.«
Rob nickte. Seine Gedanken rasten.
»Und du kannst uns retten?«
»Wenn ich die Chance habe, ja. Doch ich bin schwach, wenn es um Claudia geht und ich weiß nicht, wie es ihr geht. Claudia …«, murmelte er und streckte sich auf der Rückbank aus, während Ray weiter durch die Nacht fuhr.
»Du fährst gut«, meinte Rob.
»Danke … ich wollte es dir sagen.«
»Nur hast du kein Auto.«
»Ich habe ein Auto ausgeliehen. Ich … habe euer Auto ausgeliehen«, murmelte der Angesprochene.
»Oh«, antwortete Rob.
»Deshalb kann mich dein Vater noch weniger leiden. Ich habe mich erwischen lassen. Ich habe deine Eltern angefleht, dir nichts zu sagen.«
»Sie hassen dich.«
»Sie verachten mich, weil ich arm bin.«
»Sie sind blöd.«
»Nein, sie sind gute Eltern. Du kennst meine Eltern. Die schert es einen Dreck, wo ich bin und was ich mache.«
»Meine Eltern haben meinen Fond verbrannt für Dads Firma.«
»Geld ist wichtig, aber Eltern sind wichtiger.«
Rob rollte mit den Augen. »Du würdest nie sowas sagen. Was ist denn los? Liegt es an Santa, der gute Gefühle ausatmet?«
Santa lache dumpf. Ray lachte auch. Rob konnte sich nicht beherrschen, aber nach ein paar Augenblicken lachte auch er.
»Hoffentlich finde ich den richtigen Weg heim«, meinte Santa.
»Verlass dich auf uns, Santa«, antwortete Ray.

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