Adventus Santa – 10 – Rückblenden

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Immer im Gebüsch, versteckt hinter Bäumen, marschierten die drei voran. Santas rotes Gewand schien wie Tarnkleidung zu wirken. Keine der Kreaturen sah ihn. Auch die Straße war nun leer, doch man konnte nie wissen, wer hinter der nächsten Ecke auftauchte. Sie schwiegen.
Der Himmel blies sein blaues Licht über die Welt. Wolken zogen vorbei. Alles wirkte, als wäre es nur Zeitverschwendung.
»Ich liebte sie schon immer«, murmelte Santa. »Schon immer …«
Und aus dem Nichts krochen Schatten heran, zerissen die Wirklichkeit, als wäre sie alte Tapete. Lichter flammten auf. Musik kroch durch die Luft. Der Himmel wurde zu einem Kino.
Eine einsame Ebene. Eis hing hinter den Fenstern der Holzhütte. Nichts rührte sich. Ein Wimmern floss durch die Nacht.
Ein Baby in einer Krippe, die Augen verheult, die Stimme kurz vor dem Versagen. Ein Kamin steht in der Ecke, die Glut nur noch einen Hauch davon entfernt, zu erlöschen.
Schritte stampfen heran. Die Tür wird aufgerissen. Jemand flucht.

Ein Grab wird ausgehoben. Die junge Frau schwebt in die Finsternis hinab. Der Mann stampft davon, das Baby in seinen Armen. Knurren zwischen den Bäumen. Er wirbelt herum. Rotglühende Augen, hungrige Augen. Er packt seine Axt fester. Schnelle Sprünge von allen Seiten. Zähne, überall Zähne. Reißende Zähne packen sein Fleisch, reißen es von seinen Knochen. Ein fernes Licht. Ein stilles Gebet. Eine Handvoll Kreaturen erscheint aus dem Nichts. Augenblicke später sind die Wölfe tot oder ziehen sich heulend zurück.
»Rettet … das Kind«, murmelt der Mann in einer verlorenen Sprache.
Die größte der Kreaturen nickt ihm zu. »Wir werden ihn wie einen der unseren erziehen.«

Nie gab es einen größeren Krieger. Die Kämpfe gegen die Dämonen der Vergangenheit werden von den Siegern geschrieben. Die Kreatur, die man in Zukunft Krampus nennen wird, unterzeichnet die Kapitulation. Seine Augen flimmern, während er das abgerissene Horn betrachtet, dass der junge Santa in seinen Händen hält, ein Beweis der immerwährenden Treue der Kreatur der Winternacht.
Verhandlungen mit dem Osterhasen. Allein die Länge seiner Ohren und seiner Frontzähne unterscheidet ihn von einem Menschen. Verträge werden geschlossen.

Unbekannte Musik spielt in einem verlorenen Gasthaus eines untergegangenen Reiches. Sie ist schön, so unendlich schön. Santas Augen können sich nicht von ihr abwenden. Sie tanzt, tanzt für Götter, tanzt für Menschen. Die Leute hier feiern die tiefste Nacht des Jahres, versuchen mit ihrer Musik und ihrem Tanz den Göttern ein neues Jahr, einen neuen Frühling abzugewinnen. Sie tanzt, als wäre sie selbst eine Göttin. Hufe hallen durch die Nacht. Befehle folgen. Die Tür wird aufgestoßen. Die Erweckten Baalos, sie versuchen, die Welt anzuhalten, den Frühling zu verhindern, die Sonne auf ewig gefangenzuhalten. Die Haut ist so bleich wie die Höhlen, in denen sie hausen. Die Nacht ist ihr Freund. Die Welt ihr Feind. Menschen schreien, werden von Klingen durchbohrt, zerrissen. Sie tanzt weiter.
Santas Hände packen Köpfe, zermalmen sie, als wären sie Regentropfen aus Blut. Ihre Stiche, ihre Klingen sind nichts. Dafür wirken seine Bewegungen wie ein Tanz der Vernichtung.
Sie schreit. Er wirbelt herum. Eine Klinge hat ihr Herz durchbohrt. Sie sinkt zusammen. Santa schiebt die Feinde zur Seite. Sie existieren nicht mehr.
Santa hebt die junge Frau auf. Ihre Augen flattern.
»Ich rette dich«, meint er. Sie schließt ihre Augen, nickt.

Tief in den Eisgewölben der Festung wird Magie praktiziert, vergessene, unheilige Magie. Blaue Flammen rollen aus den Fenstern, umgeben von den Schatten der Elfen. Sie schweigen, gehorchen ihrem früheren Zögling.
Eis fließt aus dem Nichts heran, wandert über den nackten Körper der jungen Frau, findet die blutige Öffnung auf ihrem Herzen, dringt ein. Frost rollt durch ihr Fleisch, packt ihr Herz, hüllt es ein. Licht schießt aus der Wunde. Sie schreit, dann öffnet sie die Augen. Santa lächelt. Ihre Augen sind nun so blau wie der endlose Himmel über der Ebene, auf der er vor tausend Jahren geboren und gerettet wurde – wenn er sich daran erinnern könnte.
Sie lächelt und umarmt ihn. Ihre Finger brennen kalt. Sie blickt sich um. Sie küsst ihn, doch ihre Augen blicken in die Ferne, als habe sie etwas verloren.

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