Adventus Santa – 7 – Elfen
Das Trommelfeuer winziger Köpfe, das Knirschen noch winzigerer Zähne am Metall, das die Aservatenkammer von der Welt schützt, legt sich wie ein Klangteppich der Hölle auf die Köpfe der Drei. In der Ferne stampfen Kramps´Kreaturen umher, als wäre die Welt ein schlechter Film.
»Zum Nordpol«, wiederholt der alte Mann.
»Am Nordpol gibts keinen Weihnachtsmann«, antwortet Rob, während er versucht, cool zu sein, klug zu sein, die Fassung zu bewahren.
»Und warum gibts dann den Osterhasen?«, fragt Ray und deutet durch das engmaschige Gitter nach draußen.
»Natürlich gibt es den Nordpol mit dem Weihnachtsmann«, antwortet der Angesprochene. »Aber wir brauchen Hilfe. Vermutlich ist das Tor vernichtet worden, als ihr mich gerufen habt.«
»Ja, das tut mir auch leid«, meint Rob.
»Ach, egal«, antwortet Santa. »Ihr habt mich gerettet, irgendwie jedenfalls.«
»Ja, was ist denn passiert?«
»Ihr wollt eine Weihnachtsgeschichte? Klar, ihr seid Kinder.
Es ist die Nacht vor der Nacht vor der Nacht vor Heiligabend. Meine Elfen und ich ackern wie blöde, um die Geschenke einzuladen. Claudia, meine Frau, zickt irgendwo im Hintergrund herum. Nach tausend Jahren Ehe hat sich viel geändert, liebe Freunde. Wir waren einmal jung und verliebt und plötzlich habe ich diese Berufung und sie sagt: ›Na gut, dann helfe ich.‹ Doch die letzten Monate sind stressig gewesen. Es gibt immer mehr Kinder, die an mich glauben und immer mehr Geschenke, die sie wollen – und sind beleidigt, wenn sie sie nicht bekommen. Meine Kraft hängt davon ab, wieviele Kinder an mich glauben. Das ist recht blödsinnig, aber auf der anderen Seite: Was wäre, wenn keiner mehr an mich glaubt? Dann könnte ich einen langen Urlaub machen, irgendwo auf Hawaii oder auf dem Mars.
Wir werfen die Pakete in den magischen Sack, eine Singularität, auf die ich nur Zugriff habe – und Jeff, meine Hauptelfe. Guter Kumpel seit Ewigkeiten. Ich bekomme nichts mit, bis mich Jeff anstößt. ›Hör mal«, meint er und deutet aus dem Fenster. Ich höre. Nichts. Gar nichts. ›Klingt komisch, dieses Nichts‹, meint er. Ich frage mich, was los ist, gehe zum Fenster. Da sind sie, meine Elfen und starren auf das Tor, aus dem ich zum Heiligabend mit dem Schlitten fliege.
Die absolute Stille liegt über meine Festung, wie eine Tsunami-Welle, die sich vom Strand zurückzieht. Dann öffnet sich das Tor, einfach so. Und sie kommen, die Hasen und die Krampuskreaturen. Meine Elfen wachen auf. Ich weiß nicht, wieso sie geschlafen haben oder was passiert ist. Vermutlich ein Zauber. Sie sind ja nicht so absolut magisch, wie man es sich vorstellt.
Sie beginnen, sich zu wehren, aber sie haben seit Ewigkeiten nicht mehr gekämpft. Das Gemetzel, das …
Ich lass alles zurück, renne aus der Garage, die Treppen zu unserer Wohnung hinauf. Ich kann Claudia nicht finden. Ich dreh fast durch, ich ruf sie. Nichts. Ich such sie überall. Küche, Wohnzimmer, Bad … nichts. Dann gibts eine Explosion. Ich starr aus dem Fenster. Meine Garage brennt, als hätte jemand einen Berg aus Süssigkeiten angezündet. Magische Flammen rasen durch die Finsternis. Ich renn die Treppen hinunter, doch das Feuer ist zu stark. Ich will weiter nach Claudia suchen, da seh ich die Wichser. Osterhase und Kramps marschieren durch das Tor, durch die Eingangstür der Festung, hinauf in unsere Wohnung. Ich fühle, wie mein Zorn wächst. Jeff tot. Claudia weg. Meine Freunde, zumindest dachte ich das, wollen mich töten. Warum? Ich habe keine Zeit, renne die Treppe wieder hinauf. Durchsuche alles. Höre Krampus und Osterhase lachen. Ich weiß, welche Treppen sie nehmen. Ich such mir aus meiner Bibliothek eine Klinge, ein altes Teil. Ich warte. Da kommen sie. Doch bevor ich etwas tun kann, merke ich, dass jemand hinter mir ist. Ich bekomme eine Vase ins Kreuz, falle nach vorn. Die beiden blicken an mir vorbei, grinsen wie Schweine, die etwas zu fressen bekommen haben. Jemand nimmt mir die Klinge aus der Hand. Ich drehe mich um, irgendwie jedenfalls und Feuer rollt an mir vorbei. Ich fliege davon. Lande in eurem Baumhaus.«
»Und wie kommst du zurück zum Nordpol?«, fragt Rob verwirrt.
»Mit eurer Hilfe, Jungs.«