Adventus Santa – 24 – Bumm / Bumm2 / Epilog

Adventus Santa – 24 – Bumm / Bumm2 / Epilog

Der Kampf der beiden Titanen schien dem Schlitten nichts auszumachen. Die Nachtluft raste vorbei, als wäre sie ohne Widerstand.
Rays Augen wurden von einem Schatten schneller Bewegungen getroffen , er drehte sich um.
»Santa!«, rief er. Candy tat es ihm gleich. Ihre beider Augen trafen sich. »Er lebt!«
»Krampus auch …«, meinte Candy.
»Was sollen wir tun?«, fragte Ray, doch die Rentiere hatten den Kampf auch mitbekommen. Das Licht, das Rudolfs Nase ausstrahlte, flackerte wild, als er seinen Kopf umwandte, dann riss er den Schlitten zur Seite. Die anderen Rentiere folgten, wie immer. Der Schlitten kippte fast, hielt jedoch die unsichtbare Spur.
Der Wind wurde lauter. Die Beschleunigung drückte Ray und Candy in ihre Sitze. Die beiden Kreaturen kämpften weiter. Schläge wurden getauscht. Blut spritzte und wurde vom Nachtwind davongetragen.

»Die Tore«, brüllte Ray. Der Schlitten beschleunigte weiter, schoss in die Tiefe. Direkt vor ihnen ragten 3 Tore in den Himmel, gigantische Säulen aus Eis, mit magischen Symbolen verziert, die wild miteinander kämpften. Der Sog des magischen Tores zerrte an der Gestalt des Schlittens, zog ihn auseinander, als würde der Anfang des Schlittens bereits in einer anderen Welt sein und der Rest noch nicht. Gravitation hielt den Schlitten gepackt, er knirschte. Holz verzog sich. Leder riss und wurde Augenblicke später wieder zusammengefügt. Magie hüllte das Gefährt ein.
Für einen Augenblick blieb die Welt stehen. Nichts bewegte sich. Die Welt hatte ihren Atem angehalten.
»Hallo?«, fragte Ray. Niemand antwortete ihm. Er blickte sich um. Über ihm schwebten Krampus und Santa wie zwei verlorene Statuen aus vergangenen Welten. Der Krampus hatte seine Klingen ausgefahren und war dabei, Santas Kopf aufzuspießen. Santas Hände hielten dem Angriff stand, aber Krampus hatte, wie Ray sah, bereits eine andere Waffe, eine Klinge, ein Küchenmesser, aus seinem Stiefel geholt und trieb es aufwärts.
Ray wusste, was zu tun war. Er stand auf, kletterte zu den beiden Kämpfern hinauf, griff in die Lücke und zerrte das Messer aus Krampus Hand, dann drehte er es um, so dass Krampus nicht mehr den Griff, sondern die Klinge in seiner Pfote hatte. Ray lächelte, trat Krampus zwischen die Beine und wanderte zurück auf seinen Sitz. Mit unendlicher Langsamkeit begann die Zeit, sich weiterzubewegen.
Krampus zuckte zusammen. Seine Augen rollten., sein Maul fiel herunter. Seine Pfote packte die Klinge. Er schrie, liess das Messer fallen. Santas Gesicht verwandelte sich in ein Lächeln, eines dieser Werbefotos von Beginn des Jahrhunderts. Er blühte förmlich auf. Sein Mund öffnete sich. »Ho. Ho. Ho.« Er packte mit seinen Händen die Klingenhand der Kreatur, drehte sich unter ihr hinweg, bis seine Schulter direkt unter dem Ellenbogen war. Dann riss er den Klingenarm nach unten. Es knackte laut. Krampus kreischte. Santa wirbelte wieder herum, hielt die Klingenhand weiter gepackt, trat zu. Kramps Körper flog davon, prallte gegen eines der Tore. Es knackte wieder, doch es war nicht das Tor. Der verkrümmte Körper des Krampus zuckte noch einmal und blieb dann regungslos liegen.
Santa betrachtete die abgerissene Klingenhand und warf sie vom Schlitten, als wäre sie ein verdorbenes Geschenk. Er blickte sich um, sah Ray an.
»Ich habe alles gesehen«, meinte er, während die Welt an ihnen vorbeiraste. Dann deutete er auf Candy. »Bring uns zum Nordpol, Liebchen. Wir müssen noch ein paar Sachen vorbereiten.« Er liess sich fallen. Sein Gesicht wirkte alt, viel älter als zuvor. Die Magie, die ihn am Leben hielt, war fast verbraucht. Und da waren noch die Elfen, die irgendwo gefangengehalten wurden. Und die Kinder, die Krampus gefangengenommen hatte. Was würde jetzt mit ihnen geschehen? Würden sie frei sein?
Der Schlitten schoss in die Tiefe und landete nur Augenblicke später in der Grotte, aus der er gestartet war. Ein paar Dutzend Elfen standen herum, Panik in ihren schwarzen Augen. Erst als sie Santa sahen, wurden ihre Gesichter glücklich und ihre Stimmen bäumten sich auf, dankbar und voller Freude. Sie tanzten umher, während Santa vom Schlitten stieg und sich umschaute.
»Wo ist Sandy«, fragte er. »Wo ist meine Ex-Frau?«
Dutzende Hände schossen in den Himmel.
»Und Rob. Sie hat Rob! Rette ihn!«, flehte er.

***

Durch die Eingeweide der Festung kroch ein unheiliger Schatten. Fenster spiegelten ein unstetes Gesicht wieder. Eine Klinge blitzte im Schein tausender Kerzen.
»Er ist da«, murmelte die Stimme. Ihre Stimme.
Rob drückte sich gegen die kalte Wand, betete, dass der Vorhang, hinter dem er sich versteckte, ihn verbarg.
Der Schatten kroch näher heran. »Ich kann nicht mehr so leben …«, murmelte er. »Diese Kälte …«
Ein Gesicht riss den Vorhang zur Seite. »Hallo Kleiner.«

Santa stampfte über Treppen hinauf zur Festung. Die Höhe unter ihm schien in der Ferne zu verschwinden. Ray und Candy folgten ihn, ebenso die Elfen, die von ihnen befreit worden waren. Die Stufen schienen unendlich zu sein. Rays Beine zitterten bereits von der Anstrengung. Würde so die Armee sein? Würde er Meilen um Meilen marschieren müssen, bis sein Körper aufgab? Es gab keinen Ausweg. Vielleicht wäre es besser, wenn er später einfach über die Brüstung fallen würde, die Augenblicke bis zum Aufprall genießen würde, bis er seinen besten Freund wiedersah, Rob, der tot war.
»Ray!«
Die Stimme biss sich in Rays Ohr fest. Er hob seinen Blick. Das konnte nicht sein, das war …
»Rob!«
Beide rannten aufeinander zu, beide wurden von einer anderen Macht festgehalten.
Ray blickte Santa an, der seinen Arm gepackt hielt.
Rob hatte eine Klinge am Hals.

»Santa.«
»Sandy. Was soll das alles?«
Sandys Gesicht zuckte. Das Blau ihrer Augen brannte in der Dämmerung. »Du weisst, was das soll …«
»Nein, ich wollte dich retten, dich beschützen …«
»Du hast mich zu einer Gefangenen gemacht und du hast die Menschen mehr geliebt als mich. Und nun … hast du Krampus umgebracht.«
Santa spuckte aus. »Deinen Liebhaber.«
»Meinen Retter. Meinen Helden. Er hat mir von der Welt erzählt, von den Menschen, von den Maschinen, die sie nutzen, von den Dingen, die sie erfunden haben. Sie haben den Mond betreten!«
»Und sie ermorden sich noch immer über Nonsense. Millionen sind gestorben – für nichts. Menschen sind …«
»Du bist ein Mensch!«
»Ich bin ein Mensch und ich habe gelernt, dass Geben besser ist als Nehmen, besser als Bestrafen. Was hat dein Krampus getan? Hast du gesehen, was er tut?«
»Er ist gerecht. Du bist schwach.«
»Gerechtigkeit ist Gnade, kein Todesurteil.«
Sandy schüttelte den Kopf. »Geh zur Seite, Santa, oder ich töte den Jungen. Ich will in meine alte Welt zurück.«
»Das geht nicht.«
»Dann werde ich den Jungen töten. Einfach so.«
Robs Hals zuckte, als die Klinge sanft über die dünne Haut glitt. Ray hörte sich selbst keuchen. »Santa!«
Santas Fäuste knirschten, dann öffnete er sie wieder. »Du willst nicht in deine Welt. Sie ist nicht mehr deine Welt.«
»Das hat dich nicht zu kümmern.« Sie hob die Klinge.
»Nein!« Candy schoss an Santa vorbei, schneller als jedes Lebewesen es vermochte. Eine Membran von Magie umhüllte sie, ein Blitz aus Licht war sie. Robs vibrierte und verschwand, tauchte einen Lidschlag später zwei Schritte entfernt auf. Die Klinge blitzte auf. Candy erschien wieder, hielt sich die Schulter. Aus dem tiefen Schnitt schoss Blut. Sie ging zu Boden. Sandy rutschte über die Brüstung und fiel mehrere Meter. Schnee stob auf. Santa rannte die Treppe hinauf.
»Candy!«
»Es … geht schon«, meinte sie. Ihre Augen flimmerten.
»Elfen! Schafft sie zum Schlitten.«

Rob und Ray folgten Santa, Candy und den 4 Elfen. Candy wurde auf die Hinterbank gebettet. Santa redete auf seine Rentiere ein. Rudolph nickte.
Augenblicke später schossen sie davon.
Die Tore leuchteten auf. Die Welt verlor sich im Flirren der eisfarbenen Magie.
Eine Hand schoss in die Höhe, hielt ein Messer gepackt. »Santa!«
Santas Gesicht wirbelte nach hinten. »Sandy!«
Sandy Mund lachte, ihre Augen hätten Feuer zum Erlöschen bringen können.
»Ich werde sie töten und du wirst …«
Die Welt der Menschen rollte in die Wirklichkeit.
»Sandy, nein!«
Sandy zuckte. Ihr Gesicht warf unwirkliche Schatten. Das Messer fiel zu Boden. Sie betrachtete ihre Hand, die unwirklich blitzte. Magie schoss aus unsichtbaren Quellen in ihrem Körper in die Nacht hinaus. Ihre Hand schrumpfte, verdorrte, brach ab. Ihre andere Hand, ihre Arme folgten. Sie blickte Santa an, Panik in ihren Augen. »Santa«, murmelte sie. »Ich …«
»Die Magie …«, antwortete er, als wäre die Stille, die ihn umgab, ein Teil der Ewigkeit. »Die Magie funktioniert hier nicht mehr. Es … tut …«
»Mir leid«, keuchte Sandy, dann erloschen ihre Augen und ihr Kopf löste sich von ihrem Körper und rollte aus dem Schlitten. Ihr Körper taumelte und folgte.

Candy öffnete ihre Augen. Die Rentiere starrten sie an.
»Bin ich tot?«, fragte sie.
»Nein«, antwortete Santa und hob sie aus dem Schlitten. »Du bist gerettet.«
»Gerettet«, meinte sie.
»Gerettet. So wie du mich gerettet hast. Wie kann ich dich belohnen?«
»Dir fällt schon was ein«, lächelte sie, einen Hauch zu anzüglich.

***

Es schneite, als ob es noch nie geschneit hatte. Rob wusste nicht, ob er schlief oder wach war. Sein Hals schmerzte. Er blickte sich um. Er war daheim, in seinem Zimmer. Natürlich war er das. Er seufzte.
»Jedes Buch endet damit, dass alles ein Traum war«, murmelte er.
»Wach schon auf«, hörte er Cindy rufen. Sie öffnete die Tür, als ob das Schild mit dem Wunsch, nicht gestört zu werden, in einer fremden Sprache geschrieben worden wäre. »Es ist Weihnachten!«
Hatte er alles verschlafen? Oder hatte er Drogen genommen? Die Erinnerung an Santa und Candy, an Sandy, an Krampus, an seinen eigenen Tod … all das war noch so frisch und doch schon so fern, dass er es sicher in ein paar Stunden vergessen haben würde. Wieder seufzte er.
Er stand auf, ging ins Bad, betrachtete sich im Spiegel. Für einen Augenblick flimmerte ein roter Strich auf seinem Hals, verblasste aber dann wieder. Er schüttelte den Kopf.

Die Familie stand um den Weihnachtsbaum herum, als hätte er gestern nicht existiert.
»Was ist das?«, fragte Dad.
»Wie?«
»Ich kann mich nicht daran erinnern, dass es hier so aussah.«
»Vielleicht war es der Weihnachtsmann?«, murmelte Rob.
»Den gibts nicht«, kicherte Cindy und schaute ihn an, als wäre er plötzlich zu einem Idioten mutiert.
»Machen wir die Geschenke auf«, empfahl Mutter. »Vielleicht ist es ja eine Fehllieferung oder so.«
»Rob, hier ist ein Briefumschlag für dich, mit deinem Namen darauf«, meinte Cindy.
Er öffnete den Umschlag, versuchte, die Worte zu entziffern, die Zahlen zu entziffern. Seine Beine wurden schwach, er taumelte nach hinten, landete im Sessel.
»Was ist los, Liebling?«, fragte Mutter.
»Äh«, konnte Rob nur antworten.

Draußen hupte ein Auto. Laut. Oft. Cindy rannte ans Fenster. Es klingelte.
»Es ist dein blöder Kumpel Ray«, meinte sie. »Er hat ein Auto. Ein cooles Auto.« Sie rannte zur Tür und öffnete sie.
»Rob«, meinte Ray. »Etwas komisches ist passiert.«
Rob zuckte, wusste nicht, was er sagen, was er denken sollte.
»Rob, alles in Ordnung?«
»Ja, ich …«
»Hey, ich hab dieses Auto und Versicherung und alles geschenkt bekommen, einfach so. Stand in einem Brief. Ich …«
»… wir freuen uns, Sie als Begünstigen des S&C-Stipendiums zu informieren, dass Ihre Applikation für Harvard angenommen wurde. Mit diesem Stipendium haben Sie die Möglichkeit … und so weiter. Und da ist auch eine Karte dabei mit einem Foto, da ist Santa Klaus und eine Elfe? Wer ist die Elfe? Was ist denn los, Rob? Rob?«
Robs Augen flimmerten. Für einen Augenblick hörte er, wie sich die Knochen seiner Hand verschoben, als würden sie wachsen, eine Klinge aus Eis bilden. Doch der Eindruck verschwand, als Ray in an der Schulter packte. »Hörst du, murmelte sein Freund. »Wir waren wirklich dort.«
»Ja«, antwortete Rob und lächelte. Seine Augen blitzten blau. »Wir waren wirklich dort – und …« In der Ferne hoppelte ein weißer Hase vorbei, betrachtete die Menschen in ihren Wohnungen und grinste. Er sprang in die Luft und verschlang die Welt.

 

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