Adventus Santa – 23 -Supermeta
All dies sah Rob in seinem Kopf. Vielleicht war es auch nicht sein Kopf. Vielleicht sah die Kreatur alles aus Robs Kopf. Oder waren sie beide dasselbe? Wo war er? Wann war er?
Er konnte sich an die blutige Klinge erinnern, an seine Hände, die das Messer auf den Boden fallen ließen, an den Klang des Metalls auf Fliesen, ein furchtbarer Klang, der alles erschütterte, was die Welt zu bieten hatte. Er konnte sich an das Lachen erinnern, das die Stimme in seinem Kopf angestimmt hatte, als Santas Gesicht, voller Entsetzen, voller Enttäuschung, an ihm vorbeigerutscht und neben dem Messer auf dem Boden gelandet war.
Die alte Frau lachte, lachte noch immer – in seinem Kopf. In Wirklichkeit hatte sich bereits kurz nach Santas Fall aufgehört, zu lachen, hatte ein ernstes Gesicht aufgesetzt, war über den Leichnam ihres Mannes gesprungen, als wäre sie kaum 20 Jahre alt. »So, das wäe erledigt. Aber wir müssen noch mehr tun.«
Das Schnipsen ihrer alten Finger hatte wie Pergament geklungen, das in Flammen aufging, hatte an ein Knistern erinnert, das aus der Tiefe eines Kamins aufsteigt, wenn die ersten Flammen erscheinen.
»Sie werden versuchen, ihn zu retten. Krampus!«
Die Kreatur, die größer schien als zwei Autos zusammen, war vor ihr zusammengesunken, der Sklave seiner eigenen Begierde. Rob hatte sich umgedreht, ihm war schlecht. Krampus trug keine Hose. Die andere Kreatur, die mehr hüpfte als ging, versuchte, zu fliehen.
»Nicht doch, Osterhase. Wir hatten doch soviel Spaß. Du kannst jetzt nicht einfach gehen.«
Die Nase des Mannes, dessen einzige andere Auffälligkeiten weißes Fell und größere Ohren als normal waren, zuckte, bebte.
»Krampus. Schnapp dir Santa und wirf ihn in den Kerker. Ich will sehen, was die anderen mit ihm machen. Sie werden versuchen, ihn wiederzubeleben. Das muss verhindert werden.«
»Aber wie«, grummelte die Kreatur.
»Verwandel dich in den Jungen. Du weißt doch noch, wie das geht. Hast dich oft genug in Santa verwandelt, nur um neue Kinder für deine Maschinen zu bekommen. Also los. Morgen ist Heilige Nacht. Ich will sehen, wie die Welt zugrunde geht.«
»Aber warum?«, erinnerte sich Rob gefragt zu haben.
»Warum?« Die Frau lachte. »Weil es falsch ist. Ich wollte einen Ehemann – und dann musste ich ihn mit euch allen teilen. Und als ich ihn darauf angesprochen habe, hat er was von Pflicht und Verantwortung gefaselt. Als ob ich nicht wusste, warum er jedes Jahr eure Welt besucht. Er braucht euch. Aber ich brauche ihn … brauchte ihn.« Sie lachte, doch Bitterkeit hing in ihren Worten wie ein alter Fluch.
Und nun? Nun war Rob allein. Allein in der Küche. Allein, ohne Ray, ohne seine Familie, ohne Cindy. War er wirklich zweimal angelogen worden? War ihm seine Familie so wichtig? Ja. Ja, sie war wichtig. Wichtiger als alles andere. Er hatte Santa Claus umgebracht, um seine Familie zu beschützen, seine Schwester zu retten. Plötzlich war es nicht mehr so wichtig, die Stadt zu verlassen, auf die Uni zu gehen. Ja, er war intelligent, aber nicht klug genug, um nicht manipuliert zu werden. War er überhaupt bereit für den Schritt gewesen? Und was war mit Ray? War Ray tot? Er musste ihn finden.
Vorsichtig stand er auf. Die Stille um ihn herum bewegte sich nicht. Er ging zur Tür, öffnete sie, schaute hinaus. Hier war nichts, nur die Blutlache, in der Santa gelegen hatte. Vor ihm baute sich eine Reihe von Fenstern auf. Etwas bewegte sich in der Ferne. Er ging zu einem Fenster, schaute hinaus. Der Himmel glitzerte voller Sterne und ein ferner Mond grüßte ihn. Doch etwas bewegte sich wirklich. Er starrte hin. War das …? War das wirklich …?
Santas Schlitten raste über den Himmel, gezogen von all den Rentieren, deren Namen Rob bereits vergessen hatte. Der Schlitten kam näher, glitt vorbei, so dass Rob alles sehen konnte. Santa rang mit ihm, mit Rob, aber das war nicht Rob, das war – es flimmerte – Krampus. Krampus selbst?
Santas Schläge wirkten schwach und Krampus lachte.
»Ich glaub an dich, Santa«, flüsterte Rob, als wäre es ein Gebet. »Ich glaub an dich.«