Adventus Santa – 22 – Verrat

Adventus Santa – 22 – Verrat

Der Schlitten schoss durch die Nacht. Die Kräfte, die die Geschenke sonst hinderten, in die Finsternis hinauszufallen, presste Rob und Ray an in die lederbezogenen Sitze. Die Kälte drückte jeden Atemzug aus ihren Lungen. Ihre Augen flimmerten.
Sternenlicht zuckte in der Ferne. Der Mond ließ sein Gleisen über die verschneite Welt fließen. Die Welt schwieg, betäubt vom atemberaubenden Rauschen der Luft.
Aber da war etwas anderes. Die Rentiere rasten zwar auf einem vorgezeichneten Kurs über den Himmel, aber sie schienen verwirrt zu sein. Immer wieder drehte sich das erste Rentier um, eine fahle Kreatur mit einer metallenen Kugel auf der Nase, aus deren Rissen unheiliges Licht strömte. Das musste Rudolf sein, hatten sich Rob und Ray gleichzeitig entschieden, ohne miteinander zu sprechen, glaubte Rob.
Ja, sie sprachen nicht miteinander. Etwas hatte sich zwischen sie gedrängt.

Ray konnte nicht glauben, dass Rob Santa tatsächlich umgebracht hatte. War Rob nicht der Kluge in ihrer Freundschaft? Dennoch war er jetzt zweimal auf Krampus reingefallen, der ihm Cindy vorgespielt hatte. Sicher, Ray verstand, dass Rob seine Schwester lieben musste, so wie es natürlich war für Familien. Aber zweimal? Er blickte seinen Freund an, der mit starrem Blick in die Nacht hinausstarrte. Sein Mund bewegte sich unaufhörlich, als würde er etwas kauen.
»Rob, ist das?«, fragte Ray endlich.
Rob reagierte nicht.
»Rob?«, fragte Ray wieder.
Wieder keine Reaktion.
Ray presste sich mit aller Kraft gegen die Ledersessel und schaffte es, gegen den Ansturm des Windes anzukämpfen und sich vor Rob hinzustellen. Seine Beine zitterten.
»Rob?«, fragte er, presste seine Hand auf die Schulter seines Freundes.
Rob hob seine Augen. Sie waren so schwarz wie die Nacht.
Ray fiel zurück in den Sessel. Rob grinste. Er griff in seine Jacke und zog seine Hand heraus. Seine Finger waren nicht menschlich, sie schienen … Klingen zu sein!
Rob leckte an den Klingen. Blut schoss aus seinem Mund, tropfte auf die Sitze. Er drehte sich um. Vor ihnen schossen die Rentiere durch die Finsternis. Candy und der erste Elf saßen auf dem Fahrersitz und kämpften gemeinsam gegen die chaotischen Bewegungen der Tiere. Zwischen ihnen und den Sitzen lag Santas bleicher Körper.
Die Kreatur Rob stand auf, als wären sie auf festem Boden. Seine Knie krochen über den Ledersitz nach vorn. Die Klingen glitzerten im Mondlicht. Jetzt war er bei Santa, beachtete ihn gar nicht. Augenblicke später hing er über den Köpfen von Candy und dem Elfen, bereit, die tödlichen Waffe durch ihre Nacken zu streichen. Er hob die Klingen.

Er flog nach hinten. Die Klingen surrten zornig. Rays Hände hielten seine Füße gepackt, zerrten ihn über Santa hinweg auf die Ledersitze. Die Kreatur versuchte, aus dem Griff Rays zu entkommen, aber der hielt stand. Gutturale Schreie strömten in die Nacht hinaus, gefolgt von zornigem Zischen. Weder Candy noch der Elf bekamen etwas davon mit.
Die Kreatur holte aus. Rays Kopf entkam den Klingen nur um Haaresbreite. Billiges Stroh kroch aus dem Loch im Ledersitz in die Freiheit.
Wieder stieß Rob zu, die schwarzen Augen halb geschlossen, als müsse sich sich fokussieren.
Wieder entkam Ray, doch nun kannte die Kreatur sein Muster. Beim dritten Versuch …
Ray brüllte. Die Klinge brannte in seiner linken Schulter. Blut vereiste seinen Verstand. Robs Gesicht war eine Maske, das geschmiedete Gesicht eines Roboters, der alles tut, um seinen Auftrag zu erfüllen. Robs Arm bewegte sich. Die Klinge drehte sich in der Wunde, sandte Wellen von Schmerz durch Rays Körper. Rays Beine strampelten, trafen die Kreatur, trieben sie zurück. Wut rollte durch Rays Geist. »Wo ist Rob, du Schwein? Wo ist Rob?«
Die Kreatur grinste unwissend, drehte sich wieder um und kroch davon. Ray versuchte, aufzustehen, doch er wurde mit jedem Augenblick schwächer. Das Blut rauschte in seinen Adern. Er hob seine Hände, versuchte, etwas zu tun, schaffte es auch, irgendwie jedenfalls. Er taumelte der Kreatur hinterher, die bereits über die Sitze geklettert war. Rob hob seine Klinge, um die tödlichen Schnitte zu tun.
Eine Hand schoss an den Hals der Kreatur. Ein leises Quieken floh in die Nacht hinaus.
»Santa? Santa!«

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