Adventus Santa – 1 – Beschwörung

Adventus Santa – 1 – Beschwörung

Durch das dichte Dickicht eines späten Windereinbruchs rast die unsichtbare Kamera über Häuser und Gärten hinweg. Figuren, Menschen gleich, tasten sich über die weißen Gehwege, während Rauch aus Schornscheinen in den Himmel steigt. Die Welt wirkt still, nur unterbrochen vom Röhren einzelner Achtzylinder und versehentlich mitgelauschter Gespräche über Geschenke und »Ray trinkt zuviel« – »Na lass ihn doch, seine Frau hat ihn verlassen.«
Die Kamera fliegt weiter. Einzelne Vögel schießen aus den toten Bäumen in die grelle Dämmerung des 21. Dezembers. Die Kamera hält inner, wartet, sucht. Ja, hier ist die richtige Stelle. Dumpfer Lärm steigt auf, unterbrochen vom Kreischen elektrischer Gitarren. Guturales Kreischen rollt in die vorweihnachtliche Welt hinaus. Einzelne Pasanten heben ihre Köpfe, schütteln sie, spucken aus, wandern weiter.
Die Kamera findet die Quelle dieses chaotischen Klangs, ein doppelstöckiges Haus, umgeben von einem weißbemalten Gartenzaun, einem Garten, an dessen einzigem Baum ein Baumhaus hängt, kaum noch sichtbar unter dem Verfall. Ein einzelner riesiger Reifen schwingt an einem Seil hin und her. Doch von hier kommt nicht der Klang, nein, die Ströme untoten Kreischens dringen direkt aus einem winzigen Fenster im Dachboden. Die Kamera stoppt, als würde sie auf ein Signal warten, dann rast sie an dem von Weihnachtsengeln geschmückten Dach vorbei und erfasst, untersützt von der Imagination unserer Leser, die Schuldigen dieser ganzen Misere – und die Darsteller in diesem Spiel.

»Hey, Rob«, meint der junge Mann, der auf dem Bett liegt, die Augen an die Decke gerichtet, wo ein riesiges Poster einer halbnackten Dame hängt, die es sich auf der Motorhaube eines 1987er Pontiac Firebird TransAm bequem gemacht hat, »wenn ich fliegen könnte, könnte ich die Alte jetzt flachlegen.« Seine Augen blicken ins Nirvana hinter dem Bild, als würde er dort Erlösung finden. Doch damit ist in nächster Zeit nicht zu rechnen. Kaum 60 kg (oder 132 lbs schwer – wir sind ja in den USA) schwer und so dürr wie seine Helden, die er auf seinem Heavy Metal Shirt trägt, hat er keine Chance, sich an so eine Frau heranzumachen. Außerdem hat er keinen Führerschein.
»Wenn du fliegen könntest, dann würdest du die Erde verlassen und draußen ersticken«, meint Rob, schiebt seine Brille zurecht, die mit weißem Klebeband fixiert wurde. Auch er wirkt nicht so, als ob er in den nächsten Jahren einen anderen Erfolg haben würde, als auf die Uni zu gehen und sich mit Unix-Betriebssystemen zu befassen. Es gibt leider keinen Studiengang für echten Okkultismus, wie ihm sein Vater vor 2 Jahren gesagt hatte. Seine Mutter hatte sich dabei bekreuzigt und Cindy, seine kleine Schwester, hatte hinter dem Berg aus Pfannkuchen lediglich gemeint, dass er nur eine Freundin bekommen würde, wenn er sie vom Teufel beschwört – oder baut und fürs Bauen bräuchte er eine Anleitung.
»Lass es uns tun«, meint sein Kumpel, der laut seines Ausweises »John Raider« heißt, was genauso falsch ist wie sein Name.
»Klar, Ray, lass uns Satan beschwören«, meint Rob.

Nur Augenblicke später versinkt der Raum im Kerzenlicht von 5 Kerzen, die in typischer Pentagrammform angeordnet sind.
»Wollen wir wirklich?«, fragt Ray, blickt sich um, starrt auf die Schatten, die hinter dem Licht darauf warten, in die Wirklichkeit einzudringen.
»Du hast kein Auto. Ich habe keine Freundin. Ja, Ray, natürlich werden wir jetzt darauf verzichten …«
»Leck mich, Arsch.«
»Selbst, Idiot.«
Sie kichern, als wären sie nicht 16 und 17 Jahre alt, sonder noch immer 7 und 8 und gezwungen, dieselbe Schulklasse zu teilen. Ray ist nicht blöd, nur … faul.
»Die Schallplatte«, meint Rob.
»Verdammt«, flucht Ray. »Die liegt noch …«
Minuten später stampft er über die Holztreppe wieder hinauf auf den Dachboden. Die Schallplattenhülle trägt den klassischen Aufdruck des frühen coolen Satanismus, einen geißbockhaften Teufel und 13 tanzende nackte Hexen.
»Also los«, meinte Ray und begann hektisch mit seinen Händen zu wedeln.
»Gut so«, sagt Rob. »Du drehst den Plattenteller rückwärts und ich spreche die lateinischen Worte aus dem Buch von meiner Uroma, die eine echte Hexe war.«
Knirschendes Kreischen erfüllt die Welt. Alte unheilige Formeln in Lateinisch und viel älteren verbotenen Sprachen rollen aus Robs Mund.
Die Bodenklappe öffnet sich. »Hey, was macht ihr Idioten?«
»Adventus Santanas! Verdammt, Cindy!«

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