Sie lächelte zurück

Sie lächelte zurück

Das sündhaft teure Kleid hing an ihr wie eine Wolke an einer Bergspitze: unfähig, abzuregnen, auf ewig gefangen. Das Gesicht, das der Spiegel ihr entgegenwarf, trug eine Menge Mißmut in sich, Mißmut mit Sz, nicht mit Ss. Sie konnte den Unterschied zwischen beiden Schreibweisen im Kräuseln ihrer Lippen erkennen, das Flimmern der feinen Schnurrbarthaare, die auch tägliche Behandlung mit Laser und Creme überstanden, als wären sie Kakerlaken: unsterblich und abgrundtief hässlich. Mit einem Mal fühlte sie sich nicht mehr so perfekt, so einzigartig. Die Sommersprossen, die einst vom Sommerwind in ihr Gesicht worden waren, hatten winzige Fußabdrücke hinterlassen, Gruben, in denen Elefanten ertrinken konnten. Zwischen ihren Nasenflügeln flatterten Schmetterlinge um die Wette, aber das konnte auch am Kokain legen, dessen bleierne Ekstase ihrer Seele Ruhe bereitete – oder Schlimmeres.

Ihre Finger suchten den Waschtisch ab, ohne dass sie Hilfe von den schmutzigblaugrauen Augen erhoffen konnten, die zu sehr auf einen Punkt fixiert waren, einem einzelnen Haar zwischen den beiden perfekt zusammengeschmiedeten Augenbrauen, das Werk einer echten Künstlerin. Die Zigarette, die Augenblicke später mit seinem Rauch die mangelnde Perfektion in eine fremde Dimension befördere, hing noch nach Minuten im von korallenrot eingefassten rechten Mundwinkel, während eine Puderquaste das Loch, das von zwei langen und lachsfarben Fingernägeln in die Haut gebohrt wurden war, zudeckte, während das tote Haar mit der zwiebelgefärbten Haarwurzel im bleichen Waschbecken lag und schlief.

Das Raunen, das unerkannt den Hintergrund ausgefüllt hatte, wurde lauter, konnte seziert werden. Worte bohrten sich durch die halb geöffnete Tür, umhüllt vom Klang einer Melodie, die vom eichenumfassten Schallplattenspieler in die Gegend getragen wurde, ohne die Fähigkeit zu besitzen, einen echten Sinn zu ergeben, außer mit ihrem Rhythmus fremde Herzen und Füße zum Hüpfen zu bringen – jedoch nicht ihre. Sie runzelte die Stirn, verzog das Gesicht einmal, zweimal, lächelte. Sie fühlte Zufriedenheit aufsteigen – und gleichzeitig jene unnatürliche Konzentration, die sie mit ihrer Aufgabe verband, eine Aufgabe, für die sie nicht nur Freude empfand, sondern – so ihr Agent, ihr Manager auch stets meinte – eine tiefe körperliche Verbundenheit mit dem Akt an sich, die bis zur völligen Selbstauflösung führte – ins Nirwana selbst.

Sie legte den Kopf schief, als würde sie die Welt kippen wollen und lächelte noch einmal. Es war wichtig, dass sie lächelte. Es war wichtig, dass sie wusste, wen sie treffen würde, wem sie den Weg zeigen sollte: Sie war angeheuert worden, um ein Engel zu sein. Sie warf die Zigarette ins Waschbecken. Die Spitze zischte und erlosch. Sie nickte ihrem Spiegelbild zu und nahm ihre Handtasche in die linke Hand. Die Stimmen aus dem Wohnzimmer wurden lauter, trugen den Befehlston einer ängstlichen Freude, trugen die Sehnsucht nach Erlösung in sich – trugen den Puls sinnlicher Panik in sich. Sie drehte sich um und ging zur Tür. Freude wurde laut, als sie den Türspalt öffnete. Augen starrten sie an, Augen, aus denen Höllenfeuer strömte. Sie seufzte. Sie würde das Kleid verbrennen müssen, wenn sie fertig war. Ihre rechte Hand fuhr in ihre Handtasche, umfassten den Griff des Werkzeugs, mit dem sie Erleuchtung verschenken würde, Erleuchtung und einen direkten Weg ins himmlische Königreich. Die Schreie der Männer wurden zur Musik und jeder Schuss öffnete ein Tor in die Ewigkeit. Die Seelen der Erlösten winkten und lächelten ihr zu. Sie lächelte zurück.

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