Schwarzer Schlitten
Die Ampel steht noch immer auf Rot. Kein Hauch von Wind bewegt die erdigen Fetzen Straße in der sengenden Sonne. Asphalt beginnt zu kochen. Die Stirn verschwitzt, der Magen revoltiert, die Hände gefaltet, ins Kunstleder gepresst. Das Lenkrad ruckt leicht, während er die Arme lockert. Zu leicht eingestellt? Keine Ahnung. Es geht um so vieles und doch ist es ihm egal. Der Körper presst sich wie von selbst in den Sportsitz, lang zusammengespart, fast doch noch gestohlen, dann doch geschenkt. Er ist ein Talent. Er ist die Erlösung. Ein Held der Masse. Er fühlt Augen auf sich ruhen. Sie spiegeln sich wider, auf der blankgewischten Seitenwänden, auf der verzerrten Motorhaube, auf seiner zusammengebastelten Sonnenbrille. Zusammengebastelt. Sein Gesicht zuckt kurz bei dem Gedanken, in welchem Objekt er sich befindet. Ein Auto. Mehr eine Art Bastelarbeit. Frankensteins Monster mit Motor. Der Motor. Ein 8-Zylinder. Bei dem Gedanken daran überfällt ihn das unbestimmte Gefühl, seinen Fuß auf das Gas hinunterzujagen, die Maschine aufheulen zu lassen. Doch reicht dann das Benzin? Vermutlich nicht. Sparsamkeit und ein 8-Zylinder. „Tu es nicht.“ hatte seine Freundin gesagt. Er hatte falsch reagiert. Oder richtig. Je nachdem, wann er endlich am Ziel ankommen würde. Die Schweißperlen sich auf seiner Stirn werden dicker und dicker. Sie kitzeln, während sie in Richtung Augen kriechen. Nur nicht die Hand vom Lenkrad nehmen! Er schüttelt den Kopf, zwinkert kurz.
Noch immer leuchtet das rote Licht auf. „Fahr! Fahr! Fahr!“ Wie? Eine Hand schlägt auf sein Bein. „Fahr! Verdammt, fahr doch endlich!“ Sein Gedanke fällt ins Nichts. Die Ampel: rot „Fahr!“ von rechts.
Aber die Ampel. Die Ampel.
Die Sonne flimmert im Hintergrund vor sich hin und die Augen beginnen, zu verblassen. Die Hand presst sich in sein Bein. „Fahr! Verdammt!“ Apathisch zuckt er mit den Schultern. „Es ist noch nicht soweit.“ flüstert er, die Lippen trocken wie die Straße vor ihm.
Die Dämmerung hüllt die Welt um ihn herum in dunkles Blau. Die Ampel ist rot. Die Hand hat sein Bein verlassen, ein Schatten ist aus dem Auto gesprungen und fluchend weggelaufen. Minuten darauf fuhr ein Bus davon. Er zuckt mit den Schultern. Gleich. Gleich. Gleich gehts los.
„TockTock“ springt von der Fahrerseite in sein Ohr. Rote Ampel. Konzentration. „TockTock“ erneut. Mit einer Hand, unfähig hinzuschauen, greift er nach der Kurbel und ruckhaft schiebt sich die Scheibe nach unten.
„Hey, Junge. Du stehst seit ja seit Stunden hier. Keine Sorge, morgen haben wir die Ampel endlich repariert. Fahr ruhig nach Hause. Oder falls du Angst hast,“ Kichern, „dass dein schwarzer Schlitten auseinanderfällt, schieb ihn besser doch heim.“
Rote Ampel in sternklarer Nacht. Bald wird sie auf grün wechseln. Nur nicht einschlafen. Einfach warten. Und dann: ein Held sein. Und seine Freundin würde ihn mit offenen Armen empfangen. Dann hat er endlich seinen Führerschein.