Hayes – Giftiger Wein – Kapitel 10

Hayes – Giftiger Wein – Kapitel 10

Sie berieten sich, dann nahm Johann eine Stange, die an der Stange lehnte. Schritte wurden laut. »Hinter die Fässer« zischte Hayes. Nachdem sie im Schatten verschwunden waren, öffnete sich die Tür, schloss sich wieder. Schritte näherten sich, blieben stehen. Augen schweiften schweigsam durch den Raum.

»Nicht, wie ich dich gelassen habe. Der Tod ist eine Hexe«, murmelte die Stimme, dann ging der Mann in die Knie, zerrte das Gesicht des Erzpriesters über den Staub, schob den Körper des Toten zurück. Als Fäuste gegen die Tür hämmerten, hörte Hayes das Klatschen toter auf lebender Haut. Zwei weitere Schatten krochen in den Raum.

»Ja, ich komme gleich. Schöpft zwei Eimer aus dem offenen Faß und gebt jedem Mann eine Tasse vom Wein.«

Schritte traten näher. Eimer wurden eingetaucht, gefüllt, herausgezerrt.

»Seid vorsichtig! Ihr habt beim letzten Mal eine Hand in den Dreck fallen lassen. Wenn es weiter so geht, müsst ihr euch opfern.«

Die Männer grunzten mit einer Stimme und stampften davon.

Alle drei verließen den Raum. Die Tür wurde geschlossen, ein Schlüssel umgedreht, einmal, zweimal. Mechanische Töne rollten durch den Stein, dann verschwand auch diese Stimmen.

Johann stand auf. »Das war mein Bruder«, murmelte er. »Ich hätte nie gedacht, dass es soweit kommt. Ich meine …« Er stoppte, blickte Hayes an, die den Raum betrachtete, als würde sie etwas suchen.

»Bruder oder nicht. Er weiß vom Tod des Erzpriesters, er kennt die Burg. Sicherlich hat er das Gesicht des Priesters getragen.«

»Und trägt es noch immer. Warum? Warum muss er es tragen?«

»Vielleicht glauben die Männer, ganz gleich, wie böse sie sind, dass der Erzpriester noch immer der Herr der Burg ist – und der Herrin des Feuers untertan.«

Johann zuckte mit den Schultern. »Wir müssen hier raus. Du kannst die magischen Zeichen noch, hoffe ich.«

»Ich … ja, ich kenne sie, aber ich glaube, sie würden mich noch mehr Kraft kosten. Schau dir die Tür an. Sie ist relativ neu, das Holz ist frisch und die Beschläge ohne Rost.«

Johanns Gesicht verfärbte sich. Seine Finger knirschten, als sie die Stange noch fester packten als zuvor. »Ich …«, zischte er, »ich kann nicht zulassen, dass irgendeine Feuergöttin …« Er stoppte. Sein Mund verzerrte sich. Er hob die Stange, warf sie. Sie bohrte sich in eines der Weinfässer. Er zerrte die Stange wieder heraus. Sie war trocken.

»Da ist ja gar kein Wein drin.«

Hayes trat an das Loch, zog an den Brettern, die der Deckel sein sollten, starrte in die Finsternis, dann drehte sie sich zu ihm um. »Ja, es ist leer. Gib mir die Stange.«

Minuten später hatte sie in jedes Fass ein Loch geschlagen und hineingeschaut.

»Die sind alle falsch. Warum sind sie hier?«

»Wir sollten uns umschauen.«

Sie wanderten durch den Raum. Rüttelten an jeder Fackel, die tot in ihrer Halterung hing. Nichts.

»So ein Dreck«, murmelte Johann, »so ein Dreck.« Er stampfte durch die Gegend, blieb vor dem Körper des Toten stehen, betrachtete ihn. Etwas glitzerte über ihm. Er hob seinen Blick, der an einem Leuchter hängenblieb, einem Leuchter voller toter Kerzen. Der Leuchter war so schwarz wie die Nacht, aber ein Stück davon, eine Handbreit …

Etwas knirschte im Hintergrund. Wieder rollten Zahnräder durch versteckte Öffnungen im Innern der steinernen Mauern. Hebel wurden betätigt. Die Wand klickte.

Johann ließ den Leuchter los, der in seiner neuen Stellung verblieb und ging zu den Fässern, trat dagegen. Die Wand bewegte sich um einen festen Punkt, die Hälfte der Wand wich zurück, die andere Hälfte kam näher.

»Helfen Sie mir«, meinte Hayes und schob die Wand weiter zurück. Beide pressten, schoben, marschierten zollweit um den Drehpunkt. Als sie bei einem Viertel der vollen Drehung angekommen waren, stoppten sie. Der Gang, der vor ihnen lag, war finsterer als alles, was Hayes bisher gesehen hatte. Dennoch, irgendwo in der Ferne, summte ein graues Licht, seinen Weg durch die Nacht.

Sie folgten dem Weg. Der Boden war glitschig vor Nässe, vor alter Nässe, die seit Jahrhunderten nicht von der Außenwelt berührt worden war. Altes Moos quietschte unter ihren Füßen. Blinde albinoweiße Spinnen erstarrten, als die beiden an ihnen vorbeischlichen, die toten Netze zum Beben brachten. Rote Augen blitzten auf. Ratten starrten ins Nichts, bevor sie davonrasten, halbgefressene Tausendfüßler zurückliessen, die zuckend versuchten, zu überleben.

Etwas löste sich von der Decke, umgeben vom Surren hunderter Stimmen, die zu hoch waren, um verstanden zu werden.

Johann packte nach Hayes Arm, presste ihn zusammen, deutete auf die Schatten, die aus zerfallenen Särgen starrten. Hayes nickte. »Sie sind tot«, meinte sie, konnte aber das Gefühl nicht abschütteln, dass sie nicht doch aus den Löchern, in denen einst Augen gelegen hatten, beobachtet wurden, von der ewigen Finsternis hinter der Welt der Sterblichen beobachtet und beurteilt wurden.

»Die Burg muss mindestens tausend Jahre alt sein«, murmelte Johann. »Die Symbole, sie sind älter als die in den Tempeln von Uruk. Es sind böse Symbole, Zeichen der Dunkelheit, Zeichen der Kristallwesen, noch vor Zeiten des Fuzan. Damals war Aracus nur ein kleiner Gott, bevor er die anderen Götter für ihre Schwäche und Arroganz bestrafte. Wir sind hier in einem ihrer Tempel oder Begräbnisstätten!«

»Wen meinst du?«, fragte Hayes, die ihre Augen schweifen ließ.

»Die Sklaven der alten Wesen. Die Herren der alten Wege. Die Agenten der Finsternis. Sie schlafen und warten.«

»Sie sind tot.«

»Tot ist nur ein Wort, Hayes. Deshalb verbrennen wir die Toten, wegen ihnen. Wegen …«

Einer der Schädel bewegte sich. Johann kreischte auf. Der Schädel drehte sich, starrte sie an, starrte in ihre Seelen.

Eine einzelne weiße Ratte mit roten Augen schob ihren Kopf aus dem Brustkorb des Toten, quiekte, wich zurück, rannte davon.

»Hier gibt es keine Untoten«, meinte Hayes, um Johann wieder zu beruhigen.

»Oh doch«, antwortete Johann, »aber sie warten auf den richtigen Zeitpunkt. Wir sollten … sie verbrennen.«

»Und damit auf uns aufmerksam machen. Nein. Wir lassen sie zurück, lassen sie schlafen. Und wenn wir das alles überlebt haben, übergeben wir sie vielleicht dem Feuer.«

»Vielleicht«, murmelte Johann. »Vielleicht ist viel zu einfach für das, was vor uns liegt. Der Tod, Hayes, wartet auf uns.«

»Schlimmer als der Wein kann er nicht werden.«

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