Water burned

Water burned

„Kellner!“ Rick öffnete seine Augen, das Glas Whisky leer, sein Kopf noch immer voll.
„Mein Herr?“
„Das dauerte ja. Noch ein Glas!“
„Sie sind betrunken. Sie sollten gehen.“
„Noch ein Glas, verdammt.“ Rick hämmerte das leere Glas auf den Tisch. Der dicke Boden hinterließ eine Delle im Holz.
„Natürlich“, meinte der Kellner, drehte sich um und floss davon.
Floss.
Rick grinste dümmlich. Er hätte alles erklären können, aber er war noch nicht nüchtern genug. Nüchtern war etwas, das er gut sein konnte, wenn er genug intus hatte.

Er versuchte, aufzustehen, schaffte es sogar, doch die Luft blieb unter seinem Hals, als würde sie in seinem Brustkorb gefrieren, ich meine, in Höhe seines Brustkorbs.
Hier oben also sah die Welt genauso aus. Die wenigen Lampen konnten die von Alter gezeichneten Holzlamellen, die den bröckelnden Industriebeton an den meisten Stellen verbargen, nicht genau beleuchten. Auch auf den Tischen standen ein paar Kerzen, doch sie flackerten, als würden sie versuchen, die geflüsterten Gespräche der gesichtslosen Gäste zu verarbeiten, zu übersetzen. Die grauen Teller waren mit rötlichen Resten verzehrter Mahlzeiten gesprenkelt – die meisten Leute aßen hier Spaghetti mit Fleischbällchen und einem Haufen Parmesan. Genug Parmesan, um die Karomuster der Tischdecken zu verzerren.
Das leise Klicken von Metall auf Porzellan, ganz gleich ob Teller oder Zähne, erzeugte, zusammen mit den Echos verlorener Liebesschwüre ältlicher Paare, Melodien aus Verfall.
Und Rick war noch nicht nüchtern genug, um sie zu verstehen.

„Rick, was ist los?“, fragte das Gesicht vom anderen Ende des Tisches, ein Gesicht, das aus der Dämmerung der gemütlichen Atmosphäre aufgetaucht war.
„Nichts, Schatz, nichts, ich warte nur.“
Sie lächelte. Es war eine Sie. Er kannte Sie.
Vermutlich.
Er war nicht nüchtern genug, um sie zu erkennen.
„Schatz?“ Sie kicherte. Ihre Zähne waren vermutlich das sauberste in diesem Etablissement.
„Was sonst?“
„Kollegen. Freunde. Aber …“
„Nun gut. Warum sind wir hier?“
Das Lächeln der Frau verstummte für einen Augenblick. Ihre Augen verschwanden hinter dem Schatten, den ihre schwarzen Haare erschufen, ein Schatten, der sich auf ihren Wangenknochen niederließ wie ein Sonnenuntergang voller Raben.
„Weil wir gerne italienisch essen?“
Er nickte. „Natürlich.“
„Und weil … nun ja …“
Wieder nickte er. „Ich verstehe.“
„Gut“, flüsterte sie. „Dann verstehe ich auch. Setz dich doch. Die Leute schauen schon.“
Welche Leute? Die Gestaltlosen, deren Schatten Teil der Umgebung waren, Teil des Restaurants, die immer da sein würden, egal, zu welcher Uhrzeit, egal, an welchem Tag?
„Sicher“, teilte er mit, fast schon entschlossen genug, um sie nach ihrem Namen zu fragen.
Doch dafür fühlte er sich noch nicht nüchtern genug.

Als der Keller das Glas brachte, dessen Inhalt heller wirkte als jedes Licht der Umgebung, hob Rick es auf Gesichtshöhe und prostete der Frau zu. Sie lächelte und lehnte sich zurück. Ihre Füße berührten die seinen.
Und dann waren da nur noch Schatten, gesichtslose Formen und unhörbare Liebesschwüre und Rick realisierte, dass er nun einer von ihnen war, ein Teil der Gesellschaft, ein Teil der Besucher dieser düsteren kleinen Welt und er merkte, dass er nun nüchtern genug war, um es zu begreifen.

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