Dr Draam

Dr Draam

# Disclaimer: Der Text entspricht im großen und ganzen der phonetischen Version von “Erzgebirgisch”, da ich dort geboren bin und lange dort lebte. Ich habe allerdings selten Bücher in diesem Dialekt gelesen.

Iesch ka gar ned su rischtisch begreifen, wos domos wärklich passierd is. S gibt noch Erinnerunge, abr dr Rest bleibd im Vorborgene.

Villeischt wars vor zwanzsch oder dreissch Garn, mor muss siech erinnorn, abor äs fällt schwer.

Mansche Worde wergn nich mehr so gud wie domols.

S war Winner odr Herbst. S war jedenfalls kolt. De Baame haddn bereids ihre letzten Bläddr vor Wochn vorlorn. Dr Budn war glatt vom Reif odr vom Schnee, Grieslschnee, bissl Eis vielleicht. S war spät om Ohmd und dr Muund hing aufm Himmel wie ä Gsicht. Sei Grinsen gliehte auf der weißen Wies.

S war vielleicht zahne, vielleicht elfe. Dr Ohmd war schie gwase, iech hadde n baar hinner de Binde gekibbt und s war nid efach, de Richdung zu behalde. Iech war ziemlich hagge, muss mr soong. Der Waach war länger als erwarded und eichendlich muss ma von dr Waldersheh einfach nur in dn Kessel runterlatschn, bis mr zum Markt kummt und dann die gesammelde Energie zur Beschleunigung nutzn. Irgendwannmol wär mr dann darheme.

Iech ned. Iech wees nimmer, welcher Deifel mich geridden hatte, aber ich stand irchendwann ned aufm Markt, sondern ich war wuhl gwar ibers Feld gelatscht, n Ziegelberg runder, übern Neimarkt, und stand nu im Wald. Es war nuch immer dunkl und dr Wald war rischtisch finstr. Dr Waag hing allene zwischen de Baame und iech stand nu dort. S war wärklich kald. Meine Händ warn Eis. Meine Fieß warn Klumpn aus kaltm Stein.

Wuhi sullt ich giehe? Meine erstn Gedankn sachtn mir: »Gieh doch weiter. Wenn dir bis hier nichd bassiert is, dann wärd dir a sicher nischts anderes bassiern.« Für mein Ghirn war das nich iebel, aber mei Verstand war eh nich ganz bei dr Sach.

Mein Verstand war fixierd. Ich starrte auf den Wach vor mir. Ich war ned alleene.

Do war a Mah.

Und dr Mah hatte wos ofm Rickn.

N Teil von mir wullt ihn rufen, wullt ihn froong, wu iesch bie und wu mir sei. Dr andere Teil von mir wullt wegrenne.

Abr ich konnt mich ned beweeng. Mei Kerper reagierde ned. Mei Kopf wullt, dass iech wos mach, abr s ging ned.

Dr Mah kam näher. Sei Gesicht blieb im Schaddn. Ich kunt rieng, wie besoffn er war. Irgendwas auf seim Rickn bewechte sich. Da warn Bewegunge, Worde, iech konnt was hern. Kinner? Warn das Kinner? War das n Entführer?

Dr Mah blieb stiehe, blickde sich um. Seine Aang blitzdn. Noch nie hadde ich suwas gsehn, su viel Hass.

Er warf den Sack von seinem Rickn aufn Budn, wanderde dann zur Wand nieber und öffnede was. Iech wees nit, was, aber s war dunkl drinne und s war tief, tief wie de Hell und schwarz wie de finsterste Nachd.

Er zerrde Kerbr aus dem Sack. Drei Stick. Die schlebbte er bis zu dem Loch. Dann warf er sie nei, in die Nachd, die endlose Nachd.

Und dann heulde er, als würde er die Weld aus ihren Fugen heben wollen. Dann war er mit einem mal weg. Einfach so.

Und iech stand allene in dr Nachd und der Muund grinsde mich an, als wäre er verandwordlich für dieses Schausbiel.

Und da standen drei Kinner in der Finsdernis. Sie sochden nischt. Sie deideden nur auf das Loch in dr Wand, das Loch, das nimmer do war. Da war nur ne Tafel und n Name und ne Erinnerung. Und dann warn auch sie weg.
Seit dieser Nachd bleibe ich nichdern. Iech mechd nich nochemol aufwachen, während miech die Kinner astarren, als wäre ich – und nich ihr Vader – verandwordlich fir ihrn Tud. Auch wenn iech 1836 nuch gar ned gelabt hob.

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