Dämon – Kapitel 13 – Sandro –

Dämon – Kapitel 13 – Sandro –

„Ja?“ fragt die Stimme, „bist du dabei?“ Sandro nickt. „Klar.“ „Gut.“ Das Gespräch endet abrupt, ohne weitere Worte. Es klingelt wieder. „Sandro.“ „Jo.“ „Ich bins.“ Kevin. „Ja, was gibt’s?“ „Wir brauchen deine Unterstützung. Linda, sie…“ ein Schluchzen im Hintergrund, abgewürgt durch gewaltsame Selbstkontrolle, „Linda hatte einen Unfall. Es sieht nicht gut aus. Sie hat im Auto gesoffen. Dann ist… nun… sie ist auf Intensivstation. Es war ein Stein, ein Diamant, in ihrer Kehle.“ Kevin lacht, weit neben der Spur. „Ein Diamant, verstehst du?“ „Ja, ein Diamant…“ „Hör zu. Wir haben den Auftrag, weiterzuarbeiten, ohne Wenn und ohne Aber. Ich weiß, du bist geschockt, aber wir brauchen deine Hilfe. Ich… brauche deine Hilfe. Heute Abend, Professor LaPriere, Punkt 18:00 Uhr… ich schickt dir die Adresse. Überstunden sind heute notwendig. Kannst du helfen?“ Das Gejammere in Kevins Stimme löst einen antrainierten Reflex aus, der sich in Sandros Magen zusammenballt, das Ja-Sagen als Mittel, zu überleben, ganz gleich, wie mies die Sache ist. „Ja. Ich werde da sein.“ Es klickt. Kevin hat aufgelegt.

Es ist ein Zeichen der Götter oder der Anti-Illuminaten, je nachdem, auf welcher Seite des Spiegels man ist. Jetzt sind es die Götter, die ihn in ihrem Licht baden, ihn in das Schicksal des Universums einhüllen. LaPriere. 18:00 Uhr. Die Gruppe, sie muss davon erfahren. Aber er kann sie nicht erreichen. Er schlägt seine Fäuste auf das Lenkrad, es hupt, er erschreckt. Leute starren vom Gehweg her, blicken ihr Spiegelbild an, schütteln ihre Schafsköpfe und schleichen davon. Die Gruppe hat einen Plan für nächste Woche, aber er könnte, wenn er die Chance hat, sich den Typen greifen. Und dann? Dann wäre er ein Held, ein Retter der Menschheit. Der Tagtraum ist stark genug, um zu verhindern, dass er die Autotür öffnet, als „Lady Xorn“, eine hier noch recht unbekannte kanadische Sängern, auf das Autodach hämmert: nicht alle Kanadier sind liebenswürdig, diese Frau hat schon zuviel Ruhm getrunken. Ihre Stimme befiehlt eine Adresse und er gehorcht. Noch. Doch bald nicht mehr, denn „sie“ wird ihn anbeten, wenn er ihr Leben gerettet hat, ihren Geist von den Wolken aus den Flugzeugen, die Tod und Verderben bringen. Mag sein, dass Leute lachen, aber das ist bald vorbei. Er lächelt, als er davonrast, während sie wieder am Handy sitzt und irgendwelche Witze hört, keine Ahnung, sie lacht schrill und unhöflich. Er ist dankbar, als seine Fahrt endet. Sie ist in ihrem Hotel und sie bleibt dort, bis irgendjemand eine große Limusine schickt, heute Abend ist ihre Heimreise und sie hasst Berlin, mehr als sie zugibt. Selbst über ihre Fans hält sie Gericht und die sind „not cool. I dont like hipsters. They seem to be more interested in themselves than me. I can‘t stand them. They are prudish.“ Er nickt immer nur, ein dankbarer Sklave einer Weltordnung, die Prominenz über Intelligenz stellt.

Die nächsten beiden Fahrten überlässt Sandro seinen Tagträumen, seinen Visionen einer besseren Welt, die Gäste sind ruhig und völlig uninteressant. Langsam geht der Tag zur Neige und auch wenn die Sonnenstunden täglich mehr werden, liegt doch ein Hauch von Abschied über der Stadt, als er sich aufmacht, LaPriere abzuholen. Es gibt keine neuen Informationen zu Lindas Zustand, er ruft nicht an, versucht, sie auszublenden. Er mochte sie, nein, er mag sie sehr. Sie ist ja nicht wirklich tot. Er fährt zum McDonalds in der Nähe und bringt einen Burger nach draußen. Laut mampfend betrachtet er die Gesichter der Menschen, die völlig unbeeindruckt wirken, ihre Füße schlurfen über den Dickicht am Boden, den aus Beton, aus harter Arbeit, die sie selbst nie tun würden, selbst wenn sie müssten. Sie sind feige, diese kleinen Affen, weil sie fürchten, das zu verlieren, was sie selbst nicht haben wollen, aber müssen. Niemand macht das, was er will. Sandro tut dies, er weiß es. Er wirft den Mülleimer um, der an der Ecke lauert, lächelt und wandert davon. Keiner ruft ihm irgendwas hinterher. Er ist frei und dann, nun, dann wird er eins sein mit der Befreiung.

Die Uhrzeit blinkt in seinem Auto, das er nicht putzt, aber zumindest lüftet. Xorn hat den Geruch einer sprachbehinderten Sängerin, die nichts außer Rap kann und selbst diesen bringt das Lallen nicht weiter, das man heutzutage Musik nennt. Sandro fühlt, wie der Boden wackelt, es ist nur ein Anflug von Unterzuckerung und Aufregung und er entschuldigt sich bei seiner Zukunft, ganz proforma.

Erst jetzt sieht er die Zeit und es ist schon fast halb 7. Gasgeben in Berlin ist schwierig um diese Zeit und so sehen Leute sein Gesicht nicht, das puterrot hinter den verspiegelten Scheiben Grimassen schneidet, wenige sehen überhaupt auf. Klar. Wie gedacht.

Der Parkplatz ist leer. Wo sind die Demonstranten? Wo sind die gutherzigen Dämonen, die an die Weltrettung glauben? Er steigt aus und wandert über die einsamen Steine bis zum Eingang. Die Tür ist halb angelehnt. Etwas Schleim hängt an der Lücke und hinterlässt einen sonderbaren Rotton. Ein paar Augenblicke später steht er in der Vorhalle. Alles ist hübsch und glatt, die Wände sind ästhetisch bemalt mit Bildern, die nur ein Irrer interpretieren könnte. Die unwirkliche Stille fällt ihm erst jetzt auf, als ob jemand diesen Platz von Berlin, von der Welt abgeschnitten hätte. Der Geruch zieht ihn hinter die Theke. Eine Frau starrt ihn an. Ihre Augen bewegen sich nicht, ihr Mund lächelt, der Schweiß eines plötzlichen Alptraums ist auf ihrer Stirn erstarrt. „Maria Pokander“ sagt das Namensschild, unterbrochen von einem Loch, aus dem einige Flocken Blut auf die weiße Bluse gewandert sind. Sie ist tot, eindeutig tot. Sandro taumelt zurück, hält sich an einer Säule fest, die völlig sinnfrei im Raum steht und auf jemanden wie ihn wartet. Ganz ruhig, ganz ruhig. Die Luft vibriert, die Welt steht still. Sandro hört in die Stille hinein. Nichts, absolut nichts.

Türen stehen offen, als er versucht, weiterzugehen, in den Bauch der Bestie einzudringen, niemand hält ihn auf. Weiße Gänge falten sich auf, werden zu einem Labyrinth aus Mustern und Zeichen. Alles ist hier so grell, Sandros Augen brennen schon nach kurzer Zeit. Er macht sich nichts vor, der Tod hat hier gewütet, auch wenn er keine Spuren an den Wänden sieht, keine Abdrücke blutiger Hände. Alles ist perfekt und menschenleer. Völlig unvorstellbar. Jede Ecke wird zu einem Abenteuer, sein Herz rast, seine Lunge brennt, das Entsetzen hat von ihm Besitz ergriffen, lässt ihn nicht los. Eine fremde Hand leitet ihn in zu einem Fahrstuhl, lässt ihn einen Knopf drücken. „Zeit, zu gehen“ sagt die unhörbare Stimme. Er folgt dem Befehl. Was soll er sonst auch tun? Er ist doch ein Held.

„Pling“ Die Tür öffnet sich, entlässt ihn in einen ebenso weißen Gang wie Stockwerke über ihm. Wie tief wird er hinuntergefahren sein? Weitere Türen, da, Geräusche. Seine Füße sind lautlos und schnell, zumindest versucht er, ruhig zu sein, doch hinter seinem Herzrasen ist kaum etwas zu verstehen, Leute weinen, quieken, Kommandos werden gebrüllt. Sandro presst sich an eine Ecke, dreht seinen Kopf. Eine Glastür, halb aufgerissen, dahinter Schatten. Eine Tür öffnet sich, ein Klo, die Spülung rauscht, ein Mann, groß und unsagbar fett, hebt seine Waffe. Sandro hebt die Hände, ein reiner Reflex. „Mensch, Sandro“ meint sein Gegenüber und zerrt sich die Maske vom Kopf. Schweißsplitzer glitzern im Neonlicht. „Albert?“ „Hey, wow, ich dachte nicht, dass du heute… aber das Schicksal ist weise und wir sind nur seine Narren.“ Der Fette packt Sandro am Arm und schiebt ihn weiter den Gang hinunter, durch die Tür. „Hey, schaut mal, wen ich hier habe.“ Augen unter Masken starren ihn an. Sandro versucht, die Leute auf dem Boden zu ignorieren, alles unbekannte Leute in Anzügen und Laborkitteln. Ihre Gesichter blicken ins Nichts über ihren Köpfen. Keiner bewegt sich. „Mein Gott, habt ihr alle…“ „Sandro, Mensch, gut gut gut…“ „Eugen“ bemerkt Sandro. Eugen hat sich verändert, sein Avatar in ihrem Forum hat den Status eines Nerdkönigs, doch das echte Leben hält viele Überraschungen bereit. „Was geht hier ab?“ fragt er. Seine Stimme verschwimmt im Rauschen der Maschinen, die jenseits der Wände warten. „Wir hatten einen Eintrittspunkt gefunden, um den Hebel anzusetzen. Darf ich vorstellen, Penelope.“ Ihr Gesicht erscheint im Licht einer Lampe, die noch heil ist, alle anderen sind mehr oder weniger nur noch Bruchstücke ihrer eigenen Existenz. Sie ist tatsächlich, wie sollte es anders sein, nicht vordergründig schön, aber sie erinnert, kitschig ja klar, an diese alte Verfilmung, an Circe und an Penelope und ihre Augenbrauen sind spöttisch erhoben, ein wenig grün im Gesicht, aber das liegt eindeutig an der Lampe, nicht an ihrer dämonenhaften Schönheit. Doch, sie ist schön und erst jetzt sieht Sandro Eugens Grinsen. „Penelope“ hört er sich selbst sagen, doch sein Herz betet an.

„Sandro“ sagt sie, „schade, dass diese… Linda nicht gekommen ist. Ich hätte mehr Vergnügen gehabt, ihr dummes Grinsen einzutreten, den Geruch ihres Schnapses. Ich habe gehört, sie hätte einen Autounfall gehabt?“ Ihre Stimme kratzt einem Gletscher gleich an seiner Seele. Linda. Er nickt jedoch nur, statt ihr eine runterzuhauen. Er darf es nicht. Was tun sie hier? „Ich wollte, ich…“ er stammelt, „der Unfall, ich wollte den Doktor für euch entführen… und…“ „Und seinen Bodyguard ausknipsen…“ „Sicher, mir wäre da was eingefallen, irgend…“ Ihre Handbewegung stoppt ihn kalt. „Tja, Pech.“ Eugen redet. Bis auf den Fetten und Penelope hört ihm niemand anderes zu. Außer Sandro, der nichts versteht. Die anderen sind im Hintergrund, eine Gruppe von 5 oder 6 Leuten. „Penelope oder ich nenne sie gerne meine kleine Göttin, hat sich geopfert, danke dir, Schatz.“ Sie lächelt ihn an. „LaPriere braucht keine Zuschauer, besonders keine Leibwächter.“ erklärt sie und Sandro hat keine Lust, mit einem Mal, keine Lust, diesen Erläuterungen zu lauschen. Er ist kein Kind mehr und diese Arroganz, die Penelope ausstrahlt, diese Übermächtigkeit ihres Egos hat etwas bösartiges an sich, kein Hauch von Demut. Sie redet weiter, aber er hört eindeutig weg. Seine Schritte führen ihn durch den Raum bis zur Tür am anderen Ende, sie ist angelehnt, er schiebt sie auf. Hinter ihm tobt die Frau, was solls. Eine Treppe führt in die Tiefe, vorbei an Kabeln, elektronischen Regenbögen, die bündelweise an die Wand geschraubt sind. Die Maschinen werden lauter. Blitze rasen durch die Luft, sammeln sich, explodieren lautlos. Die Luft schmeckt nach Ozon und nach Kupfer. Wieder eine Leiche, sie ist groß, ein echter Barbar, doch genauso tot wie die anderen. Wieso mussten sie die Leute töten. So etwas tun Helden nicht, gute Menschen nicht. Sie müssen verdammt sein, müssen zur Verschwörung gehören. Das heißt, er ist auch Teil der Prophezeiung oder des Plans oder wie auch immer. Tränen tropfen aus seinen Augen, Rauch kriecht in seine Lunge. Der Gang wird enger, die Treppe steiler. Er kann nicht sagen, wie weit er schon gegangen ist, er erinnert sich an Dante‘s Inferno und die Hoffnung ist schon lange fahren gelassen, wie ein alter Furz, der seinen letzten Gestank ausgehaucht hat. Was tut er hier? Es sind keine Stimmen, die mit ihm sprechen, er ist völlig allein. Ist das ein Traum? Seine Hände blinken im Licht einer einsamen Lampe, er hat 5 Finger an jeder Hand, also träumt er nicht. Das ist echt und doch viel zu weit entfernt von der Wirklichkeit. Reiß dich zusammen, Sandro. Der Schmerz seiner Zähne bringt ihn zu Bewusstsein. Zeit existiert noch immer und die Tür, die vor ihm liegt, ist verschlossen. Da sind auch ein paar Männer, die versuchen, sie mit Beilen und Hämmern zu öffnen, ihre Versuche hinterlassen nur ein Echo und ein paar Kratzer im Metall. Sie stoppen ihr Tagwerk und starren ihn an, dann zwingt ein zorniger Befehl sie zum Weiterschlagen. Es sind die letzten Minuten, Sandro ist sich sicher, nein, es ist absolut klar, die finalen Momente. Hinter dem Fenster, das in den nächsten Raum zeigt, erkennt Sandro hektische Bewegungen. Er tritt näher heran. Es ist dieser LaPriere, der zwischen verschiedenen bunt blinkenden Pulten herumrennt. Komisch, ein anderer würde nur einen Computer benutzen, aber die anderen liegen tot im Stockwerk über ihm.

„Lass Sandro hinein“ sagt Penelope, die hinter ihn getreten ist. Die Männer stoppen für ein paar Augenblicke, starren Eugen an, der hinter seiner Dame steht. Er nickt. Sie treten zurück. Sandro presst seine Hand an das Glas. LaPriere stoppt und blickt sich um, sieht den jungen Mann. Das Gefühl einer unbekannten Verbindung wirft seine Angel auf, trifft sie beide. Was ist das? Die Tür zischt, wandert einige Zentimeter nach außen und schiebt sich zur Seite. Die Männer wollen hineinstürmen, Eugen voran, doch Penelopes Befehl stoppt sie. „Nicht jetzt.“ Sandro hört all dies nur im Hintergrund, die Maschinen haben seine Ohren völlig eingenommen.

„Sie…“ Der Professor steht nur ein paar Schritte von ihm entfernt, sein Gesicht ist blutig, doch seine Augen brennen, Flutlichter in nebliger Nacht. Sandro folgt dem ungehörten Befehl. Er blickt sich um. Feurige Finger wandern über die Stühle und Tische, seine Haare stehen zu Berge. „Sind Sie gekommen, um mich aufzuhalten, wie die Idioten da?“ fragt der alte Mann, deutet auf die Leute, die vor der Tür warten, Angst in den Augen.

„Wie?“ „Aufhalten. Wollen Sie mich aufhalten?“ „Wozu?“ „Sie gehören zu denen, Sie sollten wissen, warum Sie mich bekämpfen.“ Sandro schüttelt den Kopf. „Sie sind gefährlich. Sie vernichten…“ „Ich?“ unterbricht LaPriere, „Ich bringe die Wahrheit.“ „Eine Wahrheit, die töten kann.“ „Was kümmert mich der Tod. Die Wahrheit…“ Ein Schuss hallt durch den Raum. Ein roter Punkt taucht auf seiner Brust auf, er versucht, ihn wegzuwischen, doch er wächst. LaPriere keucht. „Dann tun Sie es. Sie sind hier, weil das Schicksal Sie hergeführt hat.“ Er hustet. „Bitte. Sehen Sie nicht?“ fragt er. Seine Augen flimmern. Geisterhafte Bilder überfallen Sandro, eine Frau mit einer Flasche Benzin wandert durch ihn hindurch, das Gesicht kalt vor Hass. Ein junger Mann, ihm folgt ein sehr gruseliger Mensch, halb Maschine, eine ältere Frau mit Dutt und Brille, eine sehr alte Dame, eine Flasche Gift in ihren erhobenen Händen, als würde sie es anbeten. Jemand kreischt, eine Gestalt rollt sich über den Boden, die Zwangsjacke halb aufgerissen, sie starrt ein rauchendes Stück Fleisch an, das mit den Augen klimpert. Sandro fühlt den Wahnsinn in sich aufsteigen. „Ich habe für dich gemordet.“ flüstert eine Frau in sein Ohr, ihr Gesicht zermalmt von der untrüglichen Gewalt eines brutalen Todes; der Gestank nach Schnaps brennt in seinen Augen und nun, als wäre das nicht alles genug, Linda. Linda, die sterbend im Krankenhaus liegen muss, schwebt über seinem Kopf, ein Todesengel. Sie lächelt bitter. „All diese Opfer, für die Wahrheit.“ Penelope legt ihm die Hand auf die Schulter. „Wenn du es tust, werde ich dich töten.“ „Was tun?“ fragt er. Sie deutet auf einen einzelnen Knopf, rot wie der Weltuntergang. „Das ist die Wahrheit. Keiner will sie haben. Vernichte sie.“ „Wie bitte?“ Sind sie völlig durchgedreht. Schemen wandern durch sie hindurch, sie ist nicht mehr eine Person, sondern viele andere, die ihn anflehen, eine Wahl zu treffen. „Gehen wir zurück. Vernichten wir diese Erkenntnis und dann leben wir weiter, einfach so. Niemand muss wissen, was hier unten gestanden hat. Keiner muss einen Grund wissen, wieso wir existieren.“

„Wer bist du?“ fragt er. „Nenn mich wie du willst. Ich bin nur eine Puppe, wie du. Was bedeuten schon Namen für eine Marionette? Du bist nur hier, weil du die Wahl hast. Man hat dir die Möglichkeit gegeben, die Fäden durchzuschneiden, doch dann werden wir sterben. Doch dann sind wir frei, frei und tot. Was ist besser? Die Wahrheit oder das Leben?“

Die Hand hängt erstarrt, sein Arm schmerzt wie die Hölle, die Luft ist Wasser, Eis geworden, eine transparente Brühe, die es zu durchdringen gibt. Alle Stimmen sind verstummt. Nur noch er existiert. Was ist besser, Wahrheit oder Leben? Leben. Leben ist besser, auch wenn es eine Lüge ist. Ja. Das ist die Lösung. Seine Entscheidung steht. Er wird Penelopes Wunsch folgen, dem Wunsch der Menschheit. Erst jetzt merkt er, dass seine Hand bereits auf dem Knopf liegt, er blickt nach unten. LaPrieres Gesicht grinst ihn an, die Reste dieser sterbenden Gestalt hängen an seinem Arm. „Die Wahrheit ist immer das Wichtigste.“ Die Welt flimmert, dann flackern die Wände und Menschen, selbst Sandro fühlt, wie er beginnt, sich aufzulösen. Lichter rasen umher, verschmelzen in Regenbogenfarben, ein leises Zwischen überwältigt alle anderen Geräusche und mit einem letzten Fluch verschwindet der Planet, das Sonnensystem und der Rest dieses Dings, das man Unversum nannte. Das Lachen eines befreiten Dämonen taumelt zwischen den Erinnerungen einer gemeinsamen Wirklichkeit umher, doch keiner ist mehr da, der es hören kann.

Ende.

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