Rupert Namenlos
Der letzte Schritt war getan. Die Möglichkeit, sich selbst aus den Köpfen der Menschheit zu entfernen, lag nur einen Knopfdruck entfernt, ggf eine kleine Nachjustierung der Maschine. Dann aber, in ein paar Minuten, kabumm, alles wäre überstanden, alle Erinnerungen ausgelöscht, alle Geheimnisse wieder geheim.
Nichts wäre mehr übrig von Rupert J. Ponyhouse, Wissenschaftler und Nullnummer, Opfer sovieler Angriffe, nicht nur wegen seines Namens, auch wegen seiner Theorie, dass das menschliche Bewußtsein nur eine Laune einer hyperdimensionalen Multifrequenzübertragung wäre, die Verknüpfung des Menschenhirns mit einer übergeordneten Entität. Heute, bald, jetzt gleich, alles weg. Er könnte verschwinden, was neues anfangen, nachdem die Daten aus dem Netz gelöscht worden waren, dank eines Hackers, der zwar teuer gewesen war, aber was solls, man wird nicht wirklich frei, wenn man nicht dafür zahlt.
Knopfdruck. Die Maschinen beginnen, ihre Arbeit zu tun, beschleunigen, Wellen formen sich um Rupert herum, verknoten subatomare Energiefetzen in lustige Regenbögen, jemand klopft an die Tür, vermutlich will dieser jemand rein, brüllt, jault, zischt, Worte zucken, während die Erde bebt: ein gutes Zeichen, der Druck wird größer, die Verbindung stabilisiert sich. Das/Der/Die Jemand sprengt die Tür mit einer Axt auf, rutscht heran, versucht, den Knopf zu drücken, erwischt aber die Justierung, Haha, zu spät. Die Welt wird weiß.
Kopfschmerzen kleben an der Schädeldecke des Namenlosen, sein Gesicht spiegelt sich in den Augen der Krankenschwester wider. Sie lächelt. „Rupert?“ fragt sie. Er nickt, schüttelt den Kopf, „Wer?“ Ihre Augenbraue hebt sich, ihre Hände sind kühl auf seiner Stirn. „Rupert? Rupert rupert.“ Hinter ihr öffnet sich die Tür, eine weiterer Schwester betritt den Raum. „Rupert.“ „Rupert?“ „Rupert rupert rupert!“ Sie knallt die Tür zu. „Rupert“ entschuldigt sich die Frau. Schritte im Gang, die Tür wird aufgerissen, ein Arzt stampft herein. „Rupert. Rupert, rupert rupert!“ Hinter ihm Polizisten. Erst jetzt merkt der Namenlose due Handschellen, die am Gitter an seinem Bett entlangklirren. „Rupeeeert“ kichert einer der Polizisten, „rupert rupert ruuuupert!“ Jemand rennt durch die Gegend, ein Meer aus Stimmen rollt über ihm, Getuschel und Schreie, Blitzlichter brennen sich in seine Netzhaut, er schließt die Augen. Nach einer gefühlten Ewigkeit öffnet er sie wieder, die Uhr über der Tür zeigt „Rupert“ und der Wecker ebenso. Ein Kalender: Rupert. Die blinkende Rupert-Anzeige draußen verweißt auf etwas Rupert, ein Fragebogen liegt vor ihm auf dem Bett, ein Stift daneben, der Fernseher ist eingeschaltet, eine Laufschrift, ein Mann mit lautlosen Mundbewegungen, alles Rupert, Rupert und wieder Rupert. Er lacht, weint, rupert. Er weiß zwar nicht, wer er ist, aber vermutlich rupert sich alles irgendwann zusammen. Er war mal Doktor oder Wissenschaftler oder einfach Rupert. Rupert so wie Rupert. Rupert Rupert rupert rupert rupert!