Puppe

Puppe

Es hilft uns nicht, wenn Sie jetzt zusammenbrechen.
Sagte der Mann.
Mit der Axt statt einer Hand.
Er sagte es immer und immer wieder, als wäre es Teil seiner Programmierung.
Vielleicht war es das.
Ich meine, Teil einer Programmierung, eines Programms.
Er war nicht allein.
Er war nur der einzige … die einzige, die sprach: Eine Puppe, vielleicht 2 Meter groß und schwer.
Schwer, weil er eine Puppe war, aus Metall und Holz, aus Stoff und Elektronik.
Die anderen Puppen, ebenso hoch und breit und schwer, standen hinter ihm.
Noch vor Augenblicken hatten sie gesungen und getanzt, getrieben von ihrem Programm.
Hier, in diesem Park, dem Klavius-Park in Berlin.
Und nun redete er. Mit mir und den anderen beiden, die heute, an diesem 12. Mai des Jahres 2027, Zeit hatten, den Park und die Galerie der Puppen zu besuchen.
Wir drei waren Fremde, in diesem Augenblick und an diesem Ort gefangen.
Der Raum war sicherlich zehn x zehn Meter, die Decke auch 5 Meter weit entfernt, auch mit dem schwarzen Stoff bedeckt, der die Wände einhüllte.
Nur die Bühne lebte, Licht und Hintergrundbild und davor 5 Puppen. Eine davon mit einer Axt statt einer Hand.
Ich weiß nicht, ob die sprechende Puppe schon immer eine Axt statt einer Hand hatte.
Ich wollte es auch nicht herausfinden.
„Warum?“, fragte die Frau hinter mir.
Sie schien nicht aus Berlin zu kommen.
Sie wusste nicht, dass man nicht mit Puppen redete.
Man ignorierte sie.
„Was ist das?“, fragte ihr Begleiter, der einen stark schwäbischen Dialekt ausbreitete.
„Pscht“, zischte ich, meine Augen auf die Puppen gerichtet.
„Was, pscht? Was ist hier los?“
„Nichts. Bewegen Sie sich nicht. Machen Sie keine Geräusche!“
„Aber …“
„Pscht.“
Die Puppe mit der Axt statt einer Hand zuckte. Der Motor, der den Arm hielt, surrte. Dicke Stränge, die von der schwarzen Decke in die Puppe hinabführte, vibrierten, als würden sie überlegen, was sie zu sagen hätten.
„Gehen wir“, murmelte ich und drehte mich zu den beiden um.
Der Mann war so bleich wie das Gesicht seiner Begleiterin rot war.
„Die Tür ist linker Hand. Gehen Sie langsam.“
Die Frau wollte protestieren, doch ein erneutes Zucken der Puppe brachte ihren Einwand zu erliegen.
Die Axt wurde gehoben. Ein Fuß folgte. Krachte auf das Holz. Brachte den Raum zum Beben.
Lautes Schreien hinter meinem Rücken. Wind folgte den beiden, die gegen die Tür krachten, zurückwichen, sie packten und aufzerrten.
Ich blieb allein, der Raum finster, die Bühne beleuchtet.
Schreie von draußen. Dumpfes Hämmern auf der linken Seite. Schläge. Schreie, die versiegten.
Die Puppe starrte mich an. Ich starrte zurück.
Die Axt sank zu Boden. Der Fuß zog sich in seine normale Position zurück.
Der Kopf kippte zur Seite.
Das Programm war zu Ende.
Ich drehte mich nach rechts und wanderte zur Wand, presste meine Hand gegen den schwarzen Stoff.
Eine Tür öffnete sich.
Ich verließ den Raum.
Hinter mir schliefen die Puppen.
Die anderen Puppen.
Sie würden schlafen, bis mich der unsichtbare Drang in den Park führen und die Tür für weitere Touristen öffnen würde.
Touristen, die Berlin anders verlassen würden, als sie die Stadt betreten hatten.
Mehr Puppe als Mensch.

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