Der sterbende Krieger

Der sterbende Krieger

Schritt um Schritt schlurfen müde Füße über die eisbedeckte Wüste. Schritt um Schritt – die Klinge in Händen brennt, das Eisen ist zu Feuer geworden, das sich in die Haut gefressen hat. Schritt –

um Schritt, stoppt, blickt sich um

Wann hatte er das letzte Mal Menschen gesehen?

Berge aus Eis säumen den Horizont, bedecken den Himmel, der grau über die Welt gelegt wurde; ein zorniger Gott hatte seine Hände ausgestreckt und die Welt in seiner schwieligen Haut versinken lassen. Schnee reißt die Augenlider auf, bedeckt die Augen, benetzt das Herz.

Er wandert weiter mit Füßen aus Stein. Das Schlimmste ist, dass die Schmerzen vergangen sind; Ketten, die aus seinem Fleisch auf den Boden gefallen sind, Zeichen von Leben, die er hinter sich gelassen hat. Alles hat er hinter sich gelassen –

nicht das Schwert, das über den Boden klirrt; ein hilfloser Pflug, der den Weg vergessen hat, von Stein und Schnee davongetrieben wird, ein metallenes Schiff auf einem toten Ozean.

Der Wind heult um ihn herum, doch wer ist er? Erinnerungen sind Blätter, die der Herbst in die Ferne getragen und der Winter verbrannt hat. Bilder blitzen auf, vergehen wieder. Eine Schlacht. Das Morden der Zukunft, Tod und Verdammnis, liegt in den düsteren Gebeten des sturmgeschundenen Mannes, der seinen Namen nicht kennt. Wer braucht einen Namen in dieser Hölle? Wer braucht Namen, wenn das Herz vergisst, zu schlagen?

Was ist das? Durch die flockengetränkte Dämmerung schweben Fetzen, Noten, Melodien. Nein, das kann nicht sein. Er bleibt stehen, für Augenblicke nur, die sich um ihn herum Wellen gleich ausbreiten. Hat er geträumt? Ist das – der Tod, der Himmel? Ist das die ferne Macht, die ihm ein Zeichen gibt: Bis hierher, nur nicht weiter?

Erinnerungen kommen hoch, an Berggipfel, die im Sonnenlicht bis in Wolken ragen, an Hände, die ihn zum Essen führen, verbundene Augen, die seine Ohren in Gesängen baden. Erinnerungen kommen und gehen. Schwerter krachen ineinander – Menschen jaulen, fallen von Pferden, jaulen.

»Nein!«, brüllt er, die Lippen vom Frost blutig geschlagen. »Nein! Das kann -«

Er humpelt weiter, sein Schwert ist nur noch Anker, der ihn am Boden hält. Das Feuer bäumt sich in seinen Beinen auf. Immer weiter treibt die Musik ihn voran, die Gesänge hunderter Dudelsäcke, das Hämmern zehntausender Trommeln, die Stimmen eines unsichtbaren Chores.

Eine Flamme in der Ferne, das Paradies, die Hölle, der Tod und dennoch – er muss voranschreiten.

Sind sie es? Die Clans haben sich zerstreut, doch dort, nur ein paar Dutzend Schritte vor ihm lagern die Männer und Frauen des Clans. Welchen Clans? Des Gewinners. Er will lachen: Gewinner. Er weiß, dass er zu den Verlierern gehört, sonst würde er dort stehen, Bier und Wein und Whisky in sich schütten, bis es kein Morgen gäbe. Narren. Er würde sterben. Ja. Sterben, um seine Familie zu rächen, die Menschen, die ihn zwar nicht gezeugt, nur mitgenommen haben. Gestern noch ein Mensch, heute eine heilige Maschine des Zorns.

Die Kraft in seinen Armen leuchtet den Weg zu seiner Klinge. Schweigend bohrt sich das Schwert in den Sturm hinaus. Mit Schreien gefüllt rammen sich seine Füße in den Schnee, er stürmt voran. Licht leuchten auf, die Musik wird zu einem Triumph, zu einem Krieg, der das Herz bedeckt.

Menschen in fremder Kleidung wirken betroffen, als sie ihn sehen – ihn erkennen.

»Haha!« ist sein Ruf, das Toben in seinen Gliedern. »Haha!«

Er schlägt. Trifft. Schlägt wieder. Trifft erneut. Sie sind keine Menschen mehr, sie sind Monster geworden! Die Klinge prallt von ihren Leibern ab, als wären sie – Teufel.

Eine fremde Macht erwacht hinter ihm, zerrt ihn zurück, wirft ihn zu Boden. Ein Gesicht, so fern und doch so bekannt, beugt sich über das seinige, das in fremde Welten gefangen ist:

»Ey Mann, das Spiel ist vorbei. Trink was. Trink was, verdammt. Es ist kalt geworden. Ganz ruhig, Mann – ganz ruhig.«

Doch er hört nichts hinter dem Rauschen der Dudelsäcke, der Trommeln und den Gesängen der Sirenen, die sich über seinen Verstand legen wie Engel, die ihn von dieser fremden Welt holen. Er hört nichts, sieht nichts, weiß nichts mehr, bis der weiße Wagen kommt, alles in rotblaues Licht taucht – und ihn ins Paradies entführt.

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